Eugen SCHEMPP

Eugen SCHEMPP

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Name Eugen SCHEMPP
Beruf Geometer

Ereignisse

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Geburt 20. August 1913 Münsingen nach diesem Ort suchen
Tod Januar 2003 Sindelfingen nach diesem Ort suchen

Ehepartner und Kinder

Heirat Ehepartner Kinder

Ruth VELLNAGEL

Notizen zu dieser Person

Taufname: Karl Eugen. Sindelfinger Stadt- und Bauhistoriker.

Eugen Schempp 80 Jahre alt

Der Heimatgeschichtsverein für Schönbuch und Gäu gratuliert

Am 20. August dieses Jahres wurde der langjährige Leiter des Staatlichen
Vermessungsamtes Böblingen, das Gründungsmitglied und jetzige Ehrenmitglied des
Heimatgeschichtsvereins, Oberregierungsvermessungsdirektor i.R. Eugen Schempp
80 Jahre alt. Da treten Leben und Verdienste einer ungewöhnlich vielseitigen
Persönlichkeit vor unsere Augen.
Eugen Schempp gilt als Sindelfinger, und doch wurde er am 20. August 1913 als
Sohn des Finanzsekretärs Karl Otto Schempp droben auf der Schwäbischen Alb, in
Münsingen, geboren. Viele werden es nicht glauben können, daß er eigentlich ein
Zugezogener, "Reingeschmeckter", ist, wie sie hierzulande sagen. Ganz stimmt
das natürlich auch nicht, denn der Großvater, der 1855 in Riedenberg, auf den
Fildern, geborene Gottlieb Christian Schempp, war seit 1884 Schullehrer in
Sindelfingen, wo er 1916 auch starb. Und die Mutter des Jubilars, Anna geb.
Kimmich (1887 - 1965) stammte vollends aus alten Sindelfinger Familien.
Die Schempps hatten sich von der Umgebung der Teck über Riedenberg auf den
Fildern nach Sindelfingen gezogen - Bauern, Weingärtner, Gewerbetreibende und
Handwerker, auch Weber fehlten hier und bei den Sindelfinger Vorfahren nicht.
Der bereits erwähnte Gottlieb Christian aber machte sich einen guten Namen als
hervorragender Lehrer und Musiker (Organist mit mehreren Preisen). Von Natur aus
eher still und zurückhaltend im täglichen Umgang, war er doch recht streitbar
und vertrat selbst gegenüber Vorgesetzten nachdrücklich seine Meinung. So hegte
er gegenüber der damaligen geistlichen Schulaufsicht recht moderne Anschauungen
über das Verhältnis von Schule und Kirche, blieb dabei aber betont korrekt und
sachlich, so daß man seine Meinung eben zur Kenntnis nehmen und ihm sonst nichts
anhaben konnte. Diese Charakterzüge finden sich auch bei seinem Enkel Eugen.
Selbst sachbezogen und ganz unemotional argumentierend zwingt er auch seine
Gesprächspartner zur Sachlichkeit. Daher hat er in seinem Leben Vieles positiv
bewegt. Ja, er gehört überhaupt zu den wenigen, die denen, die ihnen begegnen,
durch Kritik nützlicher sein können als durch blinde, vorbehaltlose Zustimmung,
die nur schadet.
Der Erste Weltkrieg und seine Folgen machten auch Eugen Schempp zu einem
Sindelfinger. Der Vater mußte zur kämpfenden Truppe einrücken - er war zuletzt
Leutnant. 1916 zog die Mutter dann mit dem noch ganz kleinen Eugen und seiner
eben zur Welt gekommenen Schwester Marie-Anne zu ihren Verwandten nach
Sindelfingen. Es war ein harter Schlag für die junge Familie, als der Vater
wenig später, ganz gegen Ende des Krieges 1918, vor Verdun noch umkam.
Tragischerweise hatte er sich kurz zuvor, im Herbst 1918, in Urlaub bei den
Seinen befunden. Es lief gerade ein Gesuch, ihn wegen familiärer Umstände aus
dem Heeresdienst zu entlassen. Die Entscheidung stand aus; die Frau bemühte sich,
eine Verlängerung des Urlaubs durchzusetzen, bis die Sache entschieden sei. Aber
vergeblich - Karl Otto Schempp mußte noch in den letzten Kriegstagen wieder an
die Front gehen. Und alsbald traf die Nachricht ein, er werde vermißt.
Gleichzeitig aber gab die Behörde endlich die Entscheidung des Gesuchs bekannt,
und die Witwe erfuhr nun, ihr eben vermißter Mann dürfe daheim bleiben.
Die Familie wohnte jetzt in Sindelfingen in einem Hause des "Seemüllers Gäßle" -
das Gebäude war 1843 als Bauernhaus gebaut worden. Später hatte hier ein Bruder
der Mutter, der früh verstorbene Fabrikant Eugen Kimmich, eine moderne
Jacquardweberei betrieben. Seit 1906 diente das Haus wieder Wohnzwecken. Doch
noch waren die alten Maschinen zu sehen, und Eugen Schempp bedauert es bis heute,
daß man sie nicht für die Nachwelt als Schauobjekte hat erhalten können.
Vielleicht ist schon hier sein Interesse an musealen Einrichtungen wachgeworden,
das ihn ja dann auch zum eigentlichen Begründer des Stadtmuseums werden ließ.
Trotz eines gewissen familiären Rückhalts stand die junge Witwe mit einer
bescheidenen Pension und zwei kleinen Kindern recht allein im Leben. Um so höher
ist es zu achten, daß Anna Schempp ihre Kinder zu rechten, brauchbaren Menschen
erzogen hat und beiden sogar eine höhere Schulbildung zukommen ließ. Sie blieb i
hrer Familie in nimmermüder Liebe und Sorge bis ins hohe Alter verbunden. Eugen
Schempp besuchte von 1922 bis 1928 die Sindelfinger Realschule und dann das
Reformrealprogymnasium mit Realschule auf dem Böblinger Schloßberg. Seit 1929
befand sich diese Einrichtung als Bezirksanstalt (Reformrealgymnasium und
Oberrealschule) auf dem Sindelfinger Goldberg (heute Goldberggymnasium). Unter
den Schülern befanden sich daher nicht nur viele Böblinger und Sindelfinger,
sondern auch "Auswärtige". Ein solcher war auch der junge Karl Heß, der spätere
Böblinger Landrat, ein Schulkamerad von Eugen Schempp. Zwischen beiden bildete
sich eine lebenslange Freundschaft heraus.
Während Karl Heß schon früh seine Interessen der Historie zuwandte, zeigte sich
bei Eugen Schempp eine entschiedene Vorliebe und ausgesprochene Begabung für
Mathematik. Das war auch kein Wunder, bekleidete doch der Onkel seiner Mutter
Anna, Christoph Friedrich Bach (1848-1918), jahrzehntelang das Amt eines
Stadtgeometers in Sindelfingen, das früher schon sein Schwiegervater Johann
Christoph Klemm (1827-1863) innegehabt hatte. Außerdem fungierte Bach noch als
"Amtskörperschaftsgeometer" im Oberamt (Altkreis) Böblingen. Bach ist, auch
durch sein soziales Engagement - manchem Mitbürger hat er durch die Bereitstellung
der nötigen finanziellen Mittel die Berufsausbildung ermöglicht - weit und breit
im Land als altschwäbisches Original bekanntgeworden.
1931 machte Eugen Schempp das Abitur, und es folgte das Studium der Geodäsie an
der damaligen Technischen Hochschule, der heutigen Universität Stuttgart. Schon
1935 konnte es Eugen Schempp als Diplom-Ingenieur des Vermessungswesens
abschließen.
Vor den weiteren Lebensweg schob sich bald der II. Weltkrieg. Doch heiratete
Eugen Schempp 1940 noch seine Frau Ruth, eine Tochter des Verlagsbuchhändlers
Julius Vellnagel aus alter Stuttgarter (ursprünglich Calwer) Familie. Auch ein
Sohn, Otto, kam 1942, mitten im Krieg, auf die Welt. Der Vater hatte inzwischen
einrücken müssen. Offizier (Leutnant) wie sein Vater, arbeitete er in einer
Vermessungsabteilung.
1945 kehrte Eugen Schempp nach Hause zurück. Da waren Familie und Beruf, und mit
ihnen ging das Leben weiter. Zu dem erstgeborenen Otto, heute Diplom-Ingenieur,
kamen noch ein Bruder Helmut (1947), ausgebildeter Realschullehrer und
Entwicklungshelfer auf verantwortungsvollem Posten, zuerst in Papua-Neuguinea,
dann in Sambia (Sojabohnen-Projekt), und eine Schwester Waltraud (1951), heute
Leitende Ausbildungsschwester des Diakonievereins in Fulda. Der Berufsweg begann
wie der des bereits genannten Großonkels Bach in Sindelfingen. Dort war 1947 eine
Außenstelle des Staatlichen Vermessungsamtes Böblingen eingerichtet worden, und
Eugen Schempp übernahm von 1948 - 1952 ihre Leitung. Dann wurde er Leiter des
Staatlichen Vermessungsamtes Böblingen.
In Böblingen war dem verheerenden Luftangriff vom 7./8. Oktober 1943 auch das
Gebäude des Staatlichen Vermessungsamtes zum Opfer gefallen. Bei Kriegsende
bestand das Personal außer dem Vorstand noch aus drei älteren Ingenieuren, einer
Schreibkraft und zwei Lehrlingen. 1949 konnte man von einer provisorischen
Unterkunft in der Tanzschule Kopp in das ehemalige Finanzamt, Sindelfinger Straße
49, umziehen, 1952 das Rathaus Böblingen beziehen, gerade um die Zeit, als Eugen
Schempp die Leitung übernahm. Bei der Zerstörung des alten Amtsgebäudes hatten
fast alle Meßurkundenbände und 4/5 des amtlichen Kartenwerkes gerettet werden
können. Das zahlte sich aus, denn mit der Währungsreform nahm seit 1948 die
Bautätigkeit einen enormen Aufschwung. Damit aber kamen neue und vielseitige
Aufgaben auf das Amt zu. Diesem oblag während der Amtszeit von Eugen Schempp
(1952 -1975) in Zusammenarbeit mit den Stadt- und Kreisbaumeistern die Arbeit
an den Bebauungsplänen für die geplanten Baugebiete, die ganze
Katastervermessung und die Mitwirkung bei den Baulandumlegungen, wobei besonders
die Herstellung der Unterlagen für die Entschädigung der alten Grundbesitzer
viele Mühe machte. Neben der Leitung und Überwachung dieser Tätigkeiten mußte
sich Eugen Schempp immer wieder mit dem Raumproblem beschäftigen. 1959 konnten
wenigstens weitere Räume am Marktplatz und in der Marktstraße angemietet werden.
1962/64 entstand dann als endgültige Bleibe der staatseigene Neubau im
Behördenviertel, Steinbeißstraße 5. Es war bitter nötig gewesen, bewahrte doch
der Amtsbezirk während der ganzen Zeit seinen Umfang, ja, wurde eher noch größer.
Während sich Sindelfingen 1964 verselbständigte, kam im Zuge der Verwaltungsreform
1974 das jetzt aufgelöste Staatliche Vermessungsamt Leonberg als Außenstelle
hinzu (wie es auch stets eine Außenstelle/Dienststelle des Böblinger Amtes in
Herrenberg gab). In die Dienstzeit von Eugen Schempp fallen noch einige Neuerungen
im Interesse eines rationellen Betriebs. Seit 1964 fand die elektronische
Datenverarbeitung Eingang. Ganz zuletzt brachte die elektrooptische
Entfernungsmessung eine wesentliche Erleichterung der Arbeit. 1974 erhielt das
Amt ein modernes Meßgerät (Reg. Elta 14 der Firma Zeiß).
Seine Tätigkeit im Vermessungsdienst des Landes Baden-Württemberg wäre schon
ein Lebenswerk gewesen und hätte manch anderem auch genügt. Nicht so Eugen
Schempp, der neben seinem Beruf, gewissermaßen als Hobby, noch Archäologe,
Geschichtsforscher, Denkmalpfleger und Leiter eines Museums war.
Auf all diesen Gebieten hat er Anstöße zu neuen Erkenntnissen gegeben.
Die Betreuung der archäologischen Denkmale auf der Sindelfinger Markung ist ihm
so recht ans Herz gewachsen. Man mag dabei an eine Neigung denken, die eigentlich
keinem Buben fremd ist: jeder hört einmal von einem vergrabenen Schatz, und er
will ihn dann natürlich auch heben und sehen. Aber Eugen Schempp hat erst nach
dem II. Weltkrieg durch eigene Erfahrung und Bekanntschaft mit Männern wie dem
damaligen Sindelfinger Bürgermeister Arthur Gruber und dem Geschichtsforscher
Eberhard Benz zur Geschichte und zur Mitarbeit in dem von ihnen gegründeten
Heimatgeschichtsverein gefunden.
Sozusagen berufsmäßig mußte Eugen Schempp jeden Tag den weiten Weg zum Amt nach
Böblingen machen. Auf Schusters Rappen, das versteht sich. Und wenn er so, über
Berg und Wiesengrund abends wieder heimging, führte ihn sein Weg an so manchem
Bauplatz vorbei. Da wurde gebuddelt. Eugen Schempp paßte auf, wenn bei Grabungen
und Bauarbeiten Bodenfunde zum Vorschein kamen, so z.B. am Goldberg. Er sah
immer wieder vorbei und berichtete anderen von dem, was er gesehen oder selbst
gefunden hatte, 1954 befaßte er sich erstmals in einer Veröffentlichung mit
Fragen der Siedlungsgeschichte ("Flurgeschichtliches über einige Sindelfinger
Neubaugebiete", erschienen in der Beilage "Aus Schönbuch und Gäu"). Seit 1957
meldete er seine Funde zur Publizierung in den "Fundberichten aus Schwaben". So
bahnte sich eine enge, fruchtbare Zusammenarbeit mit dem damaligen Landeskonservator
Dr. Zürn an. Die Entdeckung zahlreicher römischer Fundplätze und weiterer
merowingischer Gräber des altbekannten Gräberfeldes am Goldberg halfen,
Sindelfingen als wichtigen und frühen römischen Siedlungsplatz zu erkennen und
trugen zur Lokalisierung des frühmittelalterlichen Dorfes bei, das der
Stadtgründung des 13. Jahrhunderts den Namen gab. Eugen Schempp erkannte auch
die Bedeutung archäologischer Quellen für die mittelalterliche Stadtgeschichte
zu einem Zeitpunkt, da selbst viele Profiarchäologen davon nichts wissen wollten.
So veranlaßte er in der Oberen Vorstadt 1967 - 1970 umfassende stadtarchäologische
Untersuchungen, die Sindelfingen zum Schwerpunkt der Stadtarchäologie innerhalb
der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg machten. Da er sich auch
intensiv mit den schriftlichen Quellen beschäftigte, gelang es ihm dabei,
archäologische Befunde eng mit historischen Aussagen zu verbinden. Wir dürfen
bereits hier auf seine Bemühungen um die Baugeschichte der Sindelfinger Altstadt
hinweisen, auf die später noch eingegangen werden soll.
Näher liegt uns an dieser Stelle die von Eugen Schempp geförderte archäologische
Untersuchung im ehemaligen Stiftskirchenbezirk von St. Martin 1973, bei der auch
der berühmte Sindelfinger Münzschatz entdeckt wurde. Auf die kulturgeschichtliche
Bedeutung des nun auch in Sindelfingen gemachten Fundes von Nachgeburtstöpfen
hatte bereits früher, bei anderer Gelegenheit, Kurt Sartorius hingewiesen.
Eugen Schempp verband in seiner Arbeit auf archäologischem Gebiet die Beobachtung
der Fundstellen sowie die Bergung und wissenschaftliche Untersuchung der Funde
mit ihrer Aufarbeitung und Maßnahmen, welche auch einer weiteren Öffentlichkeit
den Zugang zu den Zeugnissen früherer Sindelfinger Geschichte verschafften.
Dazu gehörte die Ausstellung vor- und frühgeschichtlicher sowie mittelalterlicher
Bodenfunde im Stadtmuseum. In Anbetracht seiner jahrzehntelangen mittelalterlichen
Bodenforschung wurde Eugen Schempp 1977 offiziell zum ehrenamtlichen Beauftragten
der Archäologischen Denkmalpflege ernannt. Es lag in der Natur der Dinge, daß
Eugen Schempp 1949 zu den Gründungsmitgliedern des bereits erwähnten
Heimatgeschichtsvereins gehörte, dem er über viele Jahre hinweg als
stellvertretender Vorsitzender diente.
In dem neuen Verein sammelten sich die Interessenten an der örtlichen und der
regionalen Geschichte, und er war überhaupt eine Begegnungsstätte von Forschern
und Autoren auf den verschiedensten Gebieten. Dazu trugen seine publizistischen
Organe, die als Beilage zum "Böblinger Boten" gedruckten Mitteilungsblätter
"Aus Schönbuch und Gäu" sowie die sonstigen Veröffentlichungsreihen bei.
Eugen Schempp veröffentlichte hier zahlreiche Beiträge. Programmatisch sind zwei
Aufsätze von ihm in der 1951 vom Heimatgeschichtsverein herausgegebenen Schrift
"Alt Sindelfingen". Der Beitrag "Abtretung eines Teils des Stadtwalds an Rohr
1562" zeigt das Interesse des Autors an der Besitz- und Markungsgeschichte.
Beides läßt sich wohl primär aus seiner beruflichen Tätigkeit als Mann der
Landesvermessung erklären. Nach einem Beitrag "Sindelfingens
Vermögensverhältnisse : Einwohner- und Geburtenzahlen im 16. Jahrhundert"
("Aus Schönbuch und Gäu", 1990) ist soeben eine separate Schrift "Sindelfingens
Einwohner 1485 - 1570 : von ihren Familien, Namen, Berufen und
Vermögensverhältnissen" im Druck erschienen. Schempp vergleicht die statistischen
Zahlen der Stadt mit dem Durchschnitt im Lande, wobei sich ihm Zweifel am
hergebrachten Thema von Karl Otto Bull ergeben. Eine nicht sehr reiche Oberschicht
steht einer bereits deutlich ausgeprägten Mittelschicht von Kleinbauern
(Kuhbauern) gegenüber, die älter ist als die in Württemberg praktizierte
Realteilung, welche man bisher als Ursache der Entwicklung zum Mittelstand
angesehen hat. Die größeren Bauern sind um 1500 bereits verschwunden. Nicht so
eindeutig die Ergebnisse der Untersuchungen von Schempp hinsichtlich der
Verteilung von Besitz und Lehen auf der Sindelfinger Markung: "Eigentum,
Lehens-, Gült- und Zinsrechte der geistlichen und weltlichen Körperschaften auf
der Feldmark Sindelfingen, 1479 -1536" (Sonderdruck 1983) dokumentiert zwar die
Lage vieler herrschaftlicher Lehen auf guten Böden in Ortsnähe, während sich
privates Eigentum vorzugsweise am Rande der Markung auf Grenz- und neugerodeten
Böden befindet. Aber es sind andererseits auch alte Vorgängersiedlungen draußen
auf der Markung aufgelassen worden, so daß die Güte der Bodenklassen ungemein
wechselt und kein klarer Überblick zu bekommen ist.
Dennoch entsteht das zusammenfassende Bild einer Markung um 1500, womit Schempp
auch hier ein Desiderat der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der
Orts- und Landesgeschichte überhaupt erfüllt. In dem anderen Aufsatz des Jahres
1959 "Rund um den Klostergarten" tritt das Interesse an der Erstellung einer
Hausgeschichte in Erscheinung. Schempp benützt alte Urkunden, Lagerbücher,
Gerichtsprotokolle, Landesvermessungsakten und Karten, um zu zeigen, wie es um
1800 und teilweise früher im Sindelfinger Stiftsbezirk (kirchliche Gebäude) und
drum herum (Städtische Einrichtungen) ausgesehen hat. Diesem Anfang folgte eine
systematische Erfassung des erhaltenen Häuserbestandes der Sindelfinger Altstadt
anhand von gefügekundlichen Merkmalen und dendrochronologischer Datierung (seit
über 30 Jahren zahlreiche Aufsätze in den bereits genannten Publikationsreihen).
Bald galt Eugen Schempp als anerkannter Fachmann für mittelalterlichen
Fachwerkbau. Besonders fruchtbar war sein Rückgriff auf die seit Anfang der 60er
Jahre in München und Trier, u.a. von Dr. Bernd Becker (nachher am Botanischen
Institut der Universität Stuttgart-Hohenheim) entwickelte Methode, anhand des
Eichenwachstums Bauholz genau datieren zu können (Dendrochronologie). Über
Einsatz und Erfolge in Sindelfingen unterrichtet der 1981 im "Sindelfinger
Jahrbuch" erschienene Aufsatz: "Der Sindelfinger Eichenringkalender".
Es gelang, einen umfangreichen, spätmittelalterlichen Hausbestand zu ermitteln,
der bis in das 14. Jahrhundert zurückgeht. Als einer der ersten erkannte Schempp
die überörtliche Bedeutung und den baugeschichtlichen Rang der Sindelfinger
Altstadt. Was noch vorhanden war, mußte dokumentiert werden. So begann man in
Sindelfingen 1963 unter der Leitung von Eugen Schempp damit, die Altstadt
systematisch fotografisch zu erfassen. Die gemachten Aufnahmen (1980 über 1500
Altstadtfotos) sind heute nicht nur ein unschätzbares Nachschlagewerk, sondern
sie dienten auch als Vorbereitung zur Anfertigung eines historischen
Altstadtmodells im Maßstab 1:250. Es zeigt die Gestalt der Stadt um 1830 und
steht seit 1964 im Stadtmuseum.
Fast wäre uns die Sindelfinger Altstadt nur noch in diesen Bildern und dem Modell
erhalten geblieben. Daß es nicht so kam, ist mit Eugen Schempp zu verdanken. Vor
30 Jahren herrschte in Sindelfingen, wie im ganzen Land, ein ungehemmter Glaube
an den Fortschritt oder doch, was man darunter verstand. Um 1970 wurden das Kaufhaus
Domo in der Oberen Vorstadt und weiter unten das Neue Rathaus gebaut. Von beiden
sollte eine "großzügige Sanierung" der Altstadt ausgehen, d.h. man wollte sie
eigentlich so gut wie abreißen. Ich erinnere mich selbst noch recht gut daran,
wie damals sogar der Redakteur einer so heimatverbundenen Zeitung, wie die
Sindelfinger Zeitung eine ist, mit dürren Worten erklärte, die einzigen
erhaltenswerten Gebäude außer der Stiftskirche St. Martin seien die Reste der
Stadtmauer und das Alte Rathaus.
In dieser Situation schlossen sich um 1976 etwa 40 Bürgerinnen und Bürger zum
Arbeitskreis "Freunde der Sindelfinger Altstadt" zusammen. Sie wollten den
Stiftsbezirk erhalten und die historische Altstadt sanieren. Eine solche
Bürgergruppe konnte nicht ohne Eugen Schempp ins Leben treten, der somit schon
zu den Gründungsmitgliedern gehörte. Im Sinne seiner Bemühungen heißt es in einer
Selbstdarstellung der Neugründung: "Wir wollen die Altstadt als Wohn- und
Geschäftsbereich wieder beleben, wir wollen die historischen Bauwerke in ihrer
gewachsenen Umgebung erhalten, ihre Schönheit durch Renovierung zur Geltung
bringen und ihren Wert durch fachgerechte Sanierung heben".
Unter Anleitung und mit Hilfe von Eugen Schempp erwarb der Arbeitskreis eigene
Kompetenz auf den Gebieten von Fachwerkbauten, Stadtgeschichte und Denkmalpflege
sowie in all dem, was zur Sanierung einer Altstadt gehört. Er verstand sich als
Bürgerinitiative und begann 1977 mit einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit.
Eine Unterschriftenaktion hatte großen Erfolg. Es traf sich gut, daß die
Stadtverwaltung jetzt unter dem neuen Oberbürgermeister Dr. Dieter Burger ein
ungleich größeres Interesse an der Denkmalpflege zeigte als unter dessen Vorgänger
Arthur Gruber. Auch in der öffentlichen Meinung zeigte sich ein Umschwung: Man
wußte wieder, was man an den alten Städten und ihren Baudenkmalen hatte. 1978
war dann der erste große Schritt zur Erhaltung der Sindelfinger Altstadt getan:
Der "Kilpper-Rahmenplan" bildete eine wichtige Arbeitsgrundlage für die
kommenden Jahre. 1981 verfügte das Regierungspräsidium die Erhaltung von Alter
Realschule und Hirsch, von denen der ganze Streit ausgegangen war. Eine
endgültige Regelung im positiven Sinne brachten dann der Erlaß der
"Sanierungsförderungsrichtlinie" von 1982 und die 1987 vom Gemeinderat
beschlossene "Gestaltungssatzung" .
Die Vorarbeiten des Arbeitskreises (Architekt Lemberg, Eugen Schempp) leisteten
einen wichtigen Beitrag zur Entstehung einer Altstadtsatzung und Stadtbildsatzung
sowie zur Erstellung einer Denkmalliste. Auch bei dem vom Schwarzwaldverein
angeregten und von der Stadt finanzierten "Stadtgeschichtlichen Weg Sindelfingen
mit Maichingen und Darmsheim" war Eugen Schempp die tragende Kraft. Die Stadt-
und heimatgeschichtliche Arbeit von Eugen Schempp fand ihren letzten Rückhalt
in der Einrichtung eines Stadtmuseums. 1934 machte der damalige Bürgermeister
Karl Pfitzer einen ersten Versuch, in Sindelfingen ein "Heimatmuseum" einzurichten,
aber seine Bemühungen blieben erfolglos. Erst der damalige Bürgermeister Arthur
Gruber nahm nach dem II. Weltkrieg diesbezügliche Planungen wieder auf. 1954
beschloß der Gemeinderat, das sog. "Alte Rathaus" von 1470/78 mit dem angebauten
Salzhaus von 1592 unter dem Namen "Altes Rathaus" zu einem Kulturhaus umzubauen,
da für die bisher hier untergebrachte Berufsschule ein Neubau erstellt wurde
(Gottlieb-Daimler-Schule, 1. Bauabschnitt 1954/55). Im Oktober 1958 konnte das
neueingerichtete Kulturhaus eingeweiht werden. In ihm fand nun das geplante
Stadtmuseum in zwei Räumen des Dachgeschoßes eine bescheidene Unterkunft.
Im Gebäude befanden sich auch noch die Stadtbücherei, die Geschäftsstelle der
Volkshochschule sowie das Kultur- und Verkehrsamt der Stadt. Und das Museum
wurde zusammen mit diesen Einrichtungen von einem einzigen Mann, Gerhard Schwenk,
geleitet. Er hatte gemeinsam mit Bürgermeister Gruber die nötigen Vorarbeiten
geleistet, kam aber nun zu der Erkenntnis, daß das Stadtmuseum auf eigene Füße
gestellt werden mußte, wenn es gedeihen sollte. Er schlug daher 1958 Eugen
Schempp als "besten ortsansässigen Kenner der Stadt und ihrer Geschichte" zum
Museumsleiter vor.
Bereits kurze Zeit nach der Einweihung des Kulturhauses konnte das Stadtmuseum
eröffnet werden. Es verfügte über einen ersten bescheidenen Grundstock von
Ausstellungsstücken, welcher durch Tauschgeschäfte mit dem Württ. Landesmuseum
und Leihgaben desselben und anderer Institute zusammengekommen war.
Der neue Museumsleiter Schempp bemühte sich, mehr Ausstellungsgegenstände mit
örtlichem oder doch regionalem Bezug zu bekommen, um die auswärtigen Leihgaben
zurückgeben zu können. Bereits Ende 1959 gab es eine ausführliche Disposition
für die künftige Einteilung der Gegenstände in den damals vorhandenen 22
Vitrinen. Die Bestände wuchsen und wuchsen: Führt das Verzeichnis 1961 erst 370
Nummern an, so sind es 1971 schon 1100 und 1990 über 1700 Exposita. Das
Raumproblem konnte erst in den siebziger Jahren nach dem Auszug von
Stadtbibliothek, Kulturamt und Volkshochschule gelöst werden.
Die räumliche Erweiterung erlaubte es, die ganze Einrichtung neu aufzubauen.
Im 1. Obergeschoß fand beispielsweise die holzvertäfelte Breitensteiner Stube
ihre Unterkunft. 1985 konnte noch eine Abteilung "Landwirtschaft und Gewerbe"
eingerichtet werden. So spannt die Sammlung jetzt als eine sehr geschlossene
Dauerausstellung ihren Bogen von der Jungsteinzeit bis zu Handwerk und Weberei
des 19. Jahrhunderts. Zwar schlugen Versuche, Landesmuseen zu bekommen, fehl,
doch geht die Leistung von Eugen Schempp auf dem Gebiete der musealen
Denkmalpflege weit über das rein Örtliche hinaus. Der von ihm durchgeführte
Aufbau eines Stadtmuseums erfolgte zu einer Zeit, da es einfach zu spät schien,
noch eine solche Einrichtung zu schaffen, hatten doch "längst Antiquitätenhändler,
auch Spekulanten unsere Städte, Dörfer und Gehöfte heimgesucht und ... die
Einheimischen von so wertlosem Kruscht befreit" (Gerhard Schwenk). Man sah nun
durch die Bemühungen von Schempp, daß es noch etwas zu retten gab. Und so war
wohl die Sindelfinger Museumsarbeit mit ein Ansporn zur Gründung weiterer
lokaler Museen in Bezirk und Land, ja zu einer richtigen Museumswelle. Dazu trug
bei, daß in Sindelfingen von Anfang an nicht nur Museumsgut aus der Stadt,
sondern aus dem ganzen näheren Umkreis derselben gesammelt und bewahrt worden war.
1975 trat Eugen Schempp als Leiter des Staatlichen Vermessungsamtes in Böblingen
in den Ruhestand. Seine Verdienste um Altstadtsanierung und Stadtmuseum würdigte
der Sindelfinger Gemeinderat durch den Beschluß, ihn am 8. September 1978
anläßlich der 500-Jahrfeier des Alten Rathauses mit der Ehrenplakette der Stadt
auszuzeichnen. 1989 legte dann Eugen Schempp die Leitung des Stadtmuseums in
jüngere Hände - Horst Zecha, Historiker beim Stadtarchiv, wird sein Werk
fortsetzen.
Schon seit einiger Zeit ist der Pensionär im Unruhestand, Schempp, von der alten
Familienwohnung im Seemüllers Gäßle in ein Haus nicht weit vom Eichholzer Wald
umgezogen. Dort geht er in den grünen Wäldern spazieren, arbeitet im Garten oder
besucht seine Verwandten draußen im Land, wenn das gastliche Haus Schempp nicht
Verwandte und Freunde unter seinem Dach vereint. Sein durch den Beruf und zahlreiche
Engagements bewegtes Leben wird auch in Zukunft durch sein wissenschaftliches
Interesse fruchtbar bleiben.
Der Heimatgeschichtsverein, Mitbürger, Freunde, Bekannte und Verwandte wünschen
dem Jubilar zu seinem 80sten Geburtstag alles Gute, Gesundheit und Kraft für
seine weiteren wissenschaftlichen Arbeiten.

Dr. Fritz Heimberger

(Aus Schönbuch und Gäu, 1993, Heft 3 Juli/Sept., S. 17 - 20)

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