Hermann Paul Ernst HELLER

Hermann Paul Ernst HELLER

Eigenschaften

Art Wert Datum Ort Quellenangaben
Name Hermann Paul Ernst HELLER
Beruf Pfarrer, Dekan, Kirchenrat Neu-Ulm, Uettingen, Sonthofen, Neustadt a.d. Aisch nach diesem Ort suchen

Ereignisse

Art Datum Ort Quellenangaben
Geburt 10. Juni 1905 Dinkelsbühl nach diesem Ort suchen
Bestattung Dinkelsbühl nach diesem Ort suchen
Taufe 6. Juli 1905 Dinkelsbühl nach diesem Ort suchen
Tod 29. November 1997 Postmünster nach diesem Ort suchen
7. August 1930
Heirat 9. August 1932 Ulm nach diesem Ort suchen

Ehepartner und Kinder

Heirat Ehepartner Kinder
9. August 1932
Ulm
Elisabeth JÄGER

Notizen zu dieser Person

Mein Lebenslauf. Ich, Hermann Heller (weitere Vornamen: Paul Ernst) bin geboren am 10. Juni 1905 zu Dinkelsbühl als Sohn des damaligen Bezirksamtsassessors, späteren Oberregierungsrats und Landrats Hermann Heller und seiner Ehefrau Elise geb. Rabus als 2. unter 5 Geschwistern. Am 6. Juli empfing ich die Heilige Taufe. In Dinkelsbühl besuchte ich die Volksschule und machte dort die Aufnahmeprüfung in das Gymnasium. Eine besondere Jugenderinnerung aus dieser Zeit ist mir die Dinkelsbühler Kinderzeche von 1913, bei der ich als Kinderzechobrist mitwirken und am Marktplatz der Stadt den Obristenspruch sagen durfte. Als in der Mitte des Jahres 1914 mein Vater als Amtsvorstand nach Tirschenreuth kam, wurde ich im September des gleichen Jahres, also einen Monat nach Beginn des 1. Weltkriegs, meinem Patenonkel Ernst Heller, Pfarrer in Amorbach, übergeben, um dort die Lateinschule zu besuchen. Im Verein mit guten Freunden habe ich die Berge des Odenwalds lieben gelernt. Das Läuten der Glocken der schönen Amorbacher Abteikirche war mein erster kirchlicher Dienst. Da die Amorbacher Lateinschule damals nur 4 Klassen besass, kam ich im Jahre 1918 nach Regensburg in das dortige prot. Alumneum und wurde Schüler des Regensburger Alten Gymnasiums. Im Frühjahr 1919 wurde ich in Tirschenreuth konfirmiert, nachdem ich in Amorbach den Präparandenunterricht, in Regensburg den Konfirmandenunterricht besucht hatte. Bald darnach erhielt mein Vater die Leitung des Landratsamts (damals sagte man noch Bezirksamt) in Neuburg an der Donau; so konnte ich zum dortigen Gymnasium übersiedeln und dort im Frühjahr 1923 das Abitur machen. Ich entschloß mich zum Studium der Theologie unter dem Auftrag "eine Stimme zu sein für Gott", für den Gott, der sich uns in Jesus Christus als unser Vater geoffenbart hat. Ich studierte in Erlangen von [SS] 1923 - 25, wo ich in der Studentenverbindung Uttenruthia aktiv war und dort treue Freunde für mein weiteres Leben fand. Im Sommersemester 1926 [1925] ging ich nach Tübingen, im Wintersemester 1926/27 [1925/26] nach Berlin, wo ich noch den großen Lutherforscher Karl Holl kennenlernen konnte. Im Sommersemster 1927 [1926] war ich wieder in Erlangen und unterbrach dann für ein Jahr [1926/27, 1927] mein Studium, um im evangelischen Schülerheim Bamberg als Präfekt zu wirken. Mein letztes Semester [1927/28| verbrachte ich in Tübingen, wo mir besonders die Professoren Karl Heim und Karl Fezer viel für meinen weiteren Glaubens- und Lebensweg gaben; später hat auch die Theologie Adolf Schlatters stark auf mich eingewirkt. Nach bestandener theologischer Aufnahmeprüfung in Ansbach wurde ich am 1. Mai 1928 als Stadtvikar nach Neu-Ulm ernannt. Die Losung dieses ersten Tages 2 im Dienst der Kirche hat mich seither begleitet. Psalm 18. 20: "Er führte mich aus ins Weite. Er riß mich heraus; denn Er hatte Lust zu mir." Am 8. Juli 1928 wurde ich in Neu-Ulm durch Oberkirchenrat Baum unter Assistenz von Dekan Franz Schmid und Pfarrer Eugen Kern ordiniert. Die Ordinationspredigt hatte als Text: Apg. 8, 26 - 39 ("er zog aber seine Straße fröhlich"). Neben der reichen Arbeit in Schule und Kirche verhalf die Nähe der großen Nachbarstadt Ulm dem jungen Vikar zu einer kirchlichen Schau, die nicht an den landeskirchlichen Grenzen Halt macht. Ich konnte im Ulmer Münster Stadtpfarrer Schieber in seinen Abendpredigten hören; ich konnte zusammen mit den Ulmer Stadtvikaren allmonatlich an einem hebräischen Kurs unter Leitung von Dr. Erwin Nestle teilnehmen; auch mit dem Segenserbe des württembergischen Pietismus konnte ich im Neu-Ulmer CVJM in Berührung kommen. - Am 1. Juli 1932 wurde ich Pfarrer der Gräflich Wolffskeel'schen Patronatspfarrei Uettingen, Dkts. Würzburg; Dekan Lindner-Würzburg führte mich in das dortige Amt ein (Text meiner Antrittspredigt: 1. Kor. 1, 18 - 25). Am 9. 8. 1932 verheiratete ich mich mit der Ulmer Kaufmannstochter Elisabeth Jäger; aus dieser Ehe gingen 7 Kinder hervor, von denen 3 in Uettingen, 3 in Sonthofen und der jüngste in Neustadt a.d.Aisch geboren ist. Das Jahr 1933 brachte die national-sozialistische Machtergreifung. Die weltanschauliche Not jener Zeit ließ die Bedeutung des Bekenntnisses der Kirche von neuem hell erkennen. Die Anfechtung der Zeit lehrte auf das Wort merken (Jes. 28, 19 nach Luthers ursprünglicher Übersetzung). Das Jahr 1935 brachte mir wegen des sog. Kanzelparagraphen 2 Strafbefehle des Amtsgerichts Marktheidenfeld und eine große Gerichtsverhandlung dortselbst. Das erste Mal ging es um eine Predigt über Röm.10.1 "Ich bete für mein Volk (Israel), dass es selig werde" unter dem Thema des Lutherswortes "Meinen lieben Deutschen bin ich geboren; ihnen will ich dienen"; das 2. Mal um eine nach Gedanken Karl Heims formulierte Predigt über Psalm 99, 4 "Im Reiche unseres Königs hat man das Recht lieb." Es galt, die Gemeinde zur Fürbitte zu rufen für evangelische Prediger im Hessischen, die ohne Gewährung eines Rechtsbeistands in KZ-Haft genommen worden waren. (Verurteilung: 13o.-~ resp. 10 Tage Gefängnis; dieses Geld samt Gerichtskosten wurde von der Landeskirche unter Anerkenntnis richtigen Verhaltens ersetzt). Siehe dazu auch Anmerkung 1). Zur gleichen Zeit konnte ich in der volksmissionarischen Schar von Helmut Kern, dem späteren Dekan von Nördlingen, in verschiedenen Gemeinden teils Einzelpredigten halten über die Themen "Meinen Deutschen bin ich geboren, ihnen will ich dienen" und "Kirche am Ende?", teils auch einige Evangelisationswochen halten (so in Grafengehaig,in Dettenheim~Graben und in Möttingen-Enkingen). - Siehe auch Anmerkung 4 auf Seite 8 3 Im Jahre 1938 meldete ich mich mit Rücksicht auf die Gesundheit eines meiner Kinder auf die Diaspora-Pfarrei Sonthofen im Allgäu; die Amtseinführung vollzog der Kemptener Dekan Kornacher. (Text meiner Antrittspredigt Psalm 119, 105). Die Pfarrei lag damals unter dem Bann der Ordensburg; der Kirchenbesuch war sehr gering; doch half ein kleiner Kreis von Getreuen die schwere Zeit bis 1945 mit hindurchtragen. Im Jahre 1939 konnte einen Tag vor Ausbruch des 2. Weltkriegs die ehemalige katholische Pestkapelle am Nordpol in Hindelang durch Kauf erworben werden, die dann durch Oberkirchenrat Daumiller als evangelische Dreifaltigkeitskapelle eingeweiht wurde; in Ergänzung zum Sonthofener Altarbild "die Emmauswanderer" von Hellquist malte uns Rudolf Schäfer dort die EmmausSzene des Brotbrechens (Luk. 24, 30 f). Während des Krieges galt es noch die Pfarrei Oberstdorf mit Gottesdiensten im Kleinen Walsertal. in der Klinik Dr. Backer und im Lungensanatorium Wasach mitzuversorgen; auch das österreichische Tannheimer Tal gehörte damals noch zum Versorgungsgebiet der Pfarrei. Ein besonders schmerzliches Ereignis war in den Monaten nach der Besetzung durch die Franzosen (später durch die Amerikaner) der Tod der Oberstdorfer jungen Pfarrfrau Inge Friederich. während ihr Mann an unbekanntem Ort in französischer Kriegsgefangenschaft war. In dieser Zeit konnte durch notariellen Erbschaftsvertrag mit sog. Leibrente das Haus Jarius in Oberstdorf durch gütige Stiftung der Besitzerin, einer Fräulein Jarius erworben werden. Dieses Haus wurde nach dem Tod von Frl. Jarius als Grundstock zum heutigen Oberstdorfer Pfarrhaus verwandt. Im Gemeindesaal des Sonthofener Pfarrhauses konnte nach dem Krieg der Johannis-Kindergarten eingerichtet werden, der sich später* zu einem schönen Kindergarten und Kinderhort an der Hindelangerstrasse entwickelte (*unter meinem Nachfolger). Während des Krieges war ich zugleich Standort- und Lazarettpfarrer, zuletzt an 12 im Pfarrgebiet Sonthofen-Oberstdorf gelegenen Lazaretten. Der Dienst in einem kleinen Soldatenkreis, der sich die Kriegsjahre hindurch allwöchentlich im Pfarrhaus sammelte, machte dabei besondere Freude. Dass es ein Dienst an fast lauter Todgeweihten war, war freilich zugleich tief erschütternd. - Die Pfarrei Sonthofen litt während der ersten 7 Jahre meines Wirkens durch den Druck der Ordensburg sehr unter Kirchenaustritten (jährlich c. 100, meist Adolf-Hitler-Schüler und Angestellte der Burg aus allen deutschen Landen). In den 7 Jahren nach dem Krieg erfolgte eine Welle von Wiedereintritten und Nach-Taufen in fast ähnlicher Stärke; es waren aber durchaus nicht nur "Konjunktur-Ritter". sondern viele ehrlich erschütterte Menschen. Ihnen die Kirche nach Luk. 15, 11 ff. als Vaterhaus zu zeigen, dessen Tore immer offen stehen, war mir eine große Freude. Einen besonderen Höhepunkt jener zweiten 7 Jahre bildete der 29. Juni, der Tag von Peter und Paul 1946, als Oberkirchenrat Daumiller zur Visitation in Sonthofen und Hindelang weilte und im Hauptgottesdienst eine 4 denkwürdige Predigt über die beiden großen Apostel der Christenheit hielt: Petrus, der den Herrn verleugnet hatte, und Paulus, der Apostel mit dem Pfahl im Fleisch, erstanden neu vor der Gemeinde, die sich aus Wiedereingetretenen und Heimatvertriebenen zu einer neuen Einheit formte. Eine Frucht aus dieser Zeit war das Sonthofener Weihnachtsspiel von Professor Ekkehart Pfannenstiel, der damals eine Zeitlang Organist und Chorleiter war. Siehe dazu auch Anmerkung 2). Zum 1. Februar 1952 erfolgte meine Berufung durch Landesbischof D. Meiser und den Evang.Luth. Landeskirchenrat München auf die 1. Pfarrstelle in Neustadt a.d.Aisch. verbunden mit der Leitung des Neustädter Kirchenbezirks. Am 17. Februar war die Amtseinführung durch Oberkirchenrat D. Schieder, der dabei über das Wort Jer. 29,7 "Suchet der Stadt Bestes" predigte, während ich selbst als Text Matth. 17 "Die Verklärung Christi" hatte. In Neustadt durfte ich 18 Jahre und 9 Monate wjrken. Im Jahre 1962 wurde mir der Titel "Kirchenrat" verliehen. In der Rückschau freut es mich daran zu denken, dass in dieser Zeit die im Krieg abgelieferten Glocken neu beschafft werden konnten, dass der Oberlin-Kindergarten und das Johann Gramann-Heim entstehen konnten, auch dass die Renovation der Friedhofskirche und der Erweiterungsbau des Evang. Schülerheims möglich war. Zusätzlich denke ich gern an die c. 70 Wohneinheiten. die in dieser Zeit zunächst größter Wohnungsnot das evangelische Siedlungswerk in der Stadt Neustadt - größtenteils auf Grund und Boden der 1. Pfarrpfründestiftung errichten konnte. Ein weiteres Stück Arbeit war die Bemühung um die Erhaltung des humanistischen Zweiges des hiesigen Gymnasiums. An besonderen Festtagen hebt sich in der Erinnerung hervor das Gustav-Adolf-Landesfest (8.7.1956, Festprediger: Oberkirchenrat D. Daumiller - München), die 75-Jahrfeier der Bayerischen Missionskonferenz (25.10.1959. Festprediger: Landesbischof D. Dietzfelbinger), der "Diakonische Tag" (7.2.1960. Festprediger: Rektor Dr. Schober - Neuendettelsau) und das "Heimatfest" ~ 14 .8.1960, Festprediger: Pfarrer Reinhold Schultz-Zürich. (Siehe dazu auch Anmerkung 3a). Wertvoll waren auch die mehrfachen Besuche der Volkshochschule Hesselberg. Wichtig war ferner die Arbeit für den Friedhof, um das christliche Zeugnis der Grabsteine lebendiger, moderner und der Heiligen Schrift entsprechender zum Ausdruck zu bringen. Mit ganz besonderer Freude erfüllt es mich in der Rückblende, dass es gelingen durfte für das schöne Kreiskrankenhaus. das an der Paracelsusstrasse vom Landkreis geschaffen wurde. evangelische Diakonissen und Diakone zu gewinnen. In den ersten Jahren seines Bestehens von 1958 - 1966 war es ein gutes Zusammenwirken von Neuendettelsauer und den vom alten Krankenhaus im alten Schloß übernommenen Augsburger Schwestern zusammen mit den Rummelsberger Brüdern; als dann Neuendettelsau nach dem Rektorwechsel von Dr. Schober auf seinen Nachfolger Meister die Schwestern zurückzog, gelang es, die Puschendorfer Diakonissen 5 durch das Entgegenkommen des dortigen Rektors Wild zur Nachfolge zu bewegen; siehe auch Anmerkung 3b. Erwähnt sei noch, dass im Dekanatsbezirk viele dringend nötigen Pfarrhaus- und Kirchenrenovationen durchgeführt werden konnten, ferner eine Reihe von Kindergartenneubauten und sogar eine neue Kirche in dem damals zu Neustadt a.d.Aisch [Dekanat] gehörenden Markt Bibart. Da mir die Stelle eines 1. Vorstands im Verein "Pfarrtöchterheim Bad Windsheim e.V." übertragen war, sei auch der dortige große Umbau und Erweiterungsbau, durchgeführt durch Heiminspektor Pfarrer Rupprecht-Bad Windsheim, genannt. Über solche äussere Werke hinaus durfte ich in vielen Pfarrhäusern herzliche brüderliche Gemeinschaft und tiefes Einverständnis in der Freude an dem uns anvertrauten Wort der Heiligen Schrift finden. Auch die freundliche Förderung durch die drei Kreisdekane und Oberkirchenräte D.Schieder, Dr. Giegler und Luther soll nicht vergessen sein. Wichtigstes Ziel in meinem Dienst war mir. in Seelsorge, Predigt und Unterricht zu zeigen, wer wir Menschen in Wahrheit sind und wer Jesus Christus für uns ist. Das konnte ich in meiner Abschiedspredigt am 25. 10. 1970 nochmals zusammenfassen in dem Text des Tages Röm. 7, 18 - 25. Mit dem letzten Vers daraus soll auch dieser Lebensabriß beschlossen sein: "Ich danke Gott durch Jesus Christus. unseren Herrn". Als Leitsprüche meines Lebens füge ich an: 1. Für mein Amt: Verbo et caritate! 2. Für mich persönlich: sei eng für dich, aber weit für andere; ferner: Numquam retrorsus!(Wahlspruch Karls V - warum auch nicht? Ähnlich steht es auch Luk. 9, 62). 3. Im Blick auf die Ewigkeit: "Nicht die Gnade, die Paulus empfangen, begehr ich, noch die Huld, mit der du dem Petrus verziehn; die nur, die du dem Schächer gewährt hast, die nur erfleh ich." (Grabschrift des Kopernikus, + 1543) Als Anhang füge ich ausser den Anmerkungen noch bei: 1. Die Schulkämpfe meiner Zeit 2. Das Ringen um den Weg der Kirche 3. Eine Analyse zur Ordensburg Sonthofen Anmerkungen . 1) zu Seite 2 Ein gewisses zeitgeschichtliches Interesse hat vielleicht noch ein weiterer Punkt der Anklage. Ich hatte in einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem 6 zuständigen Polizeibeamten, der damals gewöhnlich am Sonntag Morgen zu seinen Mitteilungen ins Pfarrhaus kam, die Äusserung getan: "Ich glaube nicht an das ewige Deutschland, sondern nur an Gottes ewiges Reich." Doch wurde vom Gericht entschieden. diese Aussage nicht weiter zu verfolgen, da mein Rechtsbeistand, Rechtsanwalt Dr. Hartig-Würzburg den angegriffenen Satz durch einen Komparativ entschärfte. Man müsse einem Pfarrer zugute halten, dass für ihn die Kirche und das Reich Gottes "noch ewiger"(!) sei als das ewige Deutschland. 2) zu Seite 4 Dank meiner "Vorstrafen" im "3. Reich" ( die 2. Predigt war merkwürdiger Weise nur mit 50.- M Geldstrafe belegt) war es mir nach Ausgang des 2. Weltkriegs in der Zeit der amerikanischen "Entnazifierung" möglich für eine größere Zahl einstiger Parteigenossen Entlastungsschreiben anzufertigen. die darum einen gewissen Erfolg hatten, weil ich zu meiner Unterschrift als evangelischer Pfarrer in Sonthofen noch hinzufügen konnte "im 3. Reich zweimal vorbestraft". Aktenzeichen des Amtsgerichts Marktheidenfeld Nr. x x. Angefügt sei noch eine Erinnerung an den Gemeindesaal im Sonthofener Pfarrhaus; er diente gegen Kriegsausgang einmal einem Gottesdienst ungarischer Soldaten, denen ein Dolmetscher meine Predigt übersetzte, später einem JazzGottesdienst amerikanischer Negersoldaten. Normalerweise war er der beliebte Übungsraum für den Kirchenchor für das tapfere "Chörle", das auch die schweren Jahre von 1938 - 1945 und natürlich erst recht darnach treu der Gemeinde diente; eine Zeitlang war er auch Kleiderverteilraum für die amerikanischen Spenden (" in the name of the Christ"), die damals für unsere Heimatvertriebenen eine große Hilfe bedeuteten. Während des Krieges waren im Winter in diesem Saal auch die Gottesdienste gehalten worden (auch Lesegottesdienste durch die Pfarrfrau). Sein Symbolcharakter lag in dem bei einer späteren Renovation unbegreiflicherweise beseitigten Altarwerk, das c. 1926 unter dem damaligen Pfarrer, späteren Augsburger Kirchenrat Westermayer geschaffen worden war: In je 3 in MajolikaArt untereinander gestellt gefertigten Bildern hatte der damals arbeitslose, später stolze Architekt und Erbauer der Ordensburg Sonthofen, Giesler, Bruder des Münchener Gauleiters Giesler, die Gleichnisse des barmherzigen Samariters und des verlorenen Sohnes dargestellt, in der Mitte zwischen beiden ein schlichtes Kreuz. Auf Bild 1 war der Weg von Jerusalem nach Jericho zu sehen mit einem einsamen Reisenden, wobei die Stadt Jerusalem in der Art skizziert war, in der später die Sonthofener Ordensburg gebaut wurde. Bild 2 zeigte die Räuber mit vollen Säcken, Bild 3 den so seltenen barmherzigen Samariter und seine helfende Tat. Auf der andern Seite passte zur damaligen Lage der Gemeinde (im Grund natürlich zu jeder Zeit) auf Bild 4 der Fortgang des verlorenen Sohnes aus dem Vaterhaus. Bild 5 zeigte dessen Elend bei den Säuen. Bild 6 endlich wurde von uns 7 7 Jahre ersehnt "erleuchte, die da sind verblend't, bring her. die sich von uns getrennt") und in gewissem Sinn ein Stück weit erlebt: Die Heimkehr. - wobei vom Künstler dem daheimgebliebenen Bruder noch dessen Frau an die Seite gegeben war, die mit zürnendem Eifer auf ihn einsprach, während der Vater den Zurückgekehrten umarmte. 3 a) zu Seite 4 Um die Zeit des Reformationsfestes habe ich versucht der Gemeinde zusätzlich zum Festgottesdienst durch Vorträge das den Vätern von Gott neu geschenkte Evangelium lieb und wert zu halten und zugleich dem gefährlichen Zeittrend der Geschichtslosigkeit entgegen zu wirken. Diesem Ziel sollten die nachfolgend aufgeführten Vorträge dienen: 1.11.53 StudRat Pfarrer Seitz-Neustadt: "Der Weg zur Reformation" 31.10.54 OKR D.Schieder: "Luther u.die dunklen Rätsel der Weltgeschichte" 6.11.55 Evang. Männertag unter dem Thema "Freiheit für Gottes Wort" sprechen Pfarrer Hofstetten-Schauerheim u. OStDir.Dr.Kegler-Erlangen 3.11.56 "Vorwärts zu Luther". Vortrag vom Leiter des Amtes für Volksmission. Pfarrer Georg Weiß-Nürnberg. 27.10.57 "Der Christ im Atomzeitalter" gehalten von Univ.Professor Dr.theol.Hans Engelland -Hamburg (später Kiel) 22.10.58 Kleine Bibelausstellung im Chorraum der Kirche und Lichtbildvortrag zum 84.Geburtstag von Prof.D.Rudolf Schäfer durch Bibelboten Hartmann-Schwaig 25.10.59 aus Anlass der 75-Jahrfeier der Bayer. Missionskonferenz Vortrag von Prof.D. Vicedom "Das Evangelium unter den Kopfjägern Formosas" 30.10.60 Vortrag von St.R.Pfarrer Hübner-Emskirchen über Paul Gerhardt mit Paul-Gerhardt-Spiel der Emskirchner Jugend (abgefasst von Pfarrer Hübner-Emskirchen) 5.11.61 Vortrag von Univ.Prof.D. Frör-Erlangen: "Die evangelische Kirche in der gegenwärtigen Zeit" 4.11.62 Lichtbildvortrag von Pfarrer Dr. Dollinger "Der Kampf um das Evangelium in der Oberpfalz" 3.11.63 Tonbericht über "Bethel, Stadt an der Grenze" 27.10.64 Spiel der Christlichen Landesbühne "Das Silber des Bischofs" 30.10.65 Kirchenkonzert des Evang. Jugendchors Fürstenfeldbruck 4.11.65 Vortrag von Pfarrer Götz-Nürnberg "Was ist evangelische Freiheit?" 11.10.66 Vortrag von Univ.Prof. Dr.Hans Köhler-Nürnberg in der Stadtkirche "Die Bedeutung Martin Luthers für die Gegenwart". 5.11.67 Vortrag von Pfarrer Paul Friederich-Ansbach in der Turnhalle "Reformation ohne Ende" 8 3.11.68 Festaufführung des "Messias" von Georg Friedrich Händel durch die Liedertafel 2.11.69 Farblichbildvortrag der Christoffel-Blinden-Mission 9.11.69 Rektor Steghöfer predigt zur 50-Jahrfeier von Schwester Martha Gräf, deren 70.Geburtstag am 16.11.69 auf einem Gemeindeabend festlich begangen wird. 29.10.70 mein eigener Abschiedsabend 3 b) zu Seite 5 Der Name der ersten Oberschwester im neuen Krankenhaus, Christiane Herzog, die von 1958 - 1966 hier in vorbildlichem Einsatz wirkte, sei auch hier in dankbarem Gedenken genannt; sie starb am 16.1.1969 in Neuendettelsau im Alter von 58 Jahren. In gleicher Dankbarkeit sei erinnert an die Augsburger Diakonissen: Schwester Martha Gräf wirkte hier 50 Jahre lang allezeit fröhlich in der Schule und in der kirchlichen Jugendarbeit, Schwester Margarete Krebs 38 Jahre lang als leitende Schwester im alten Krankenhaus, Schwester Christine Rückert als Kindergartenleiterin im städtischen Kindergarten und Schwester Reta Schmidt über 25 Jahre als Gemeindeschwester. Ihrer aller Weggang (nicht alle Namen können hier genannt werden) bedeutete und bedeutet noch für die Kirchengemeinde u. die Stadt einen schmerzlichen Verlust. 4) zu Seite 2 Ein besonderer Dank muß noch der Gemeinde der ersten Liebe im selbständigen Amt, der Gemeinde Uettingen bei Würzburg, geschrieben werden. Sie hat in den schweren Jahren des Kampfes um die Kirche in großer Treue zum Evangelium gehalten (von wenigen Ausnahmen abgesehen) und die Sorgen der Kirche und die Sorgen der Kirche im Gebet mitgetragen. Äusserlich am tiefsten zum Ausdruck kam das bei der heiligen Taufe unseres 2. Kindes, unserer ersten Tochter. Sie war geboren am 18. Oktober 1934. Zum 22. Oktober waren alle fränkischen Pfarrer zum heiligen Abendmahl in die St. Lorenzkirche nach Nürnberg gerufen. Man wusste nicht, ob nicht dort ein besonderer Schlag der Partei geplant sei, der vielleicht ein sofortiges Nachhause-Kommen unmöglich machte. Da die Paten des Kindes in so kurzer Zeit nicht zu erreichen waren, bat ich die Frauen der Gemeinde zum Sonntag. dem 21. Oktober, stellvertretend Patenstelle für dieses Kind zu übernehmen. In tiefer Bewegung gaben alle in den bis zum letzten Platz besetzten Frauenbänken der Kirche Versammelten bei dieser Tauffeier ihr "Ja". Noch zur Konfirmation am Palmsonntag 1949 schickten sie dann nach Sonthofen eine Abordnung. So schliesse ich diese Anmerkungen mit dem Gebet. das ich dieser Gemeinde bei meinem Abschied im Jahr 1938 gewidmet habe: 9 Herr. einst für uns gekreuzigt, nun König aller Welt, ach segne uns doch gnädig in Haus und Stall und Feld, gib Frieden in der Zeit, halt Leib und Seele rein, lass bis in Ewigkeit uns deine Kinder sein. 1. Anhang: Die Schulkämpfe meiner Zeit Die 3 Kämpfe um die Schule unserer Kinder und um die Stellung der Schule zum Bekenntnis der Kirche, die während meines Lebens geführt werden mußten, werde ich nicht vergessen. a) in Uettingen: Durch List und Terror des sog. 3. Reiches wird die evang.luth. Bekenntnisschule, die seit den Tagen der Reformation unter uns in Segen wirkte, zerbrochen. Als ich von der durch das Dorf gegangenen Unterschriftssammlung bei den Eltern erfuhr, war am Abend der Text der Gemeindebibelstunde das 1. Kapitel des Propheten Daniel "Die Kinder Gottes kommen unter die Knechtschaft der Welt". Alle, die daran teilnahmen, waren tief erschüttert. b ) in Sonthofen: In der NS-Zeit hatte ich zweimal eine Unterredung über die Konfirmation bzw. den Konfirmandenunterricht mit dem damaligen Burggewaltigen. Eine Möglichkeit, dass Adolf-Hitler-Schüler in der Gemeinde Sonthofen den Unterricht besuchen könnten, wurde abgelehnt: "Wir bauen den Dom des deutschen Glaubens". - Nach Ende des 2. Weltkriegs ging es darum, dass wir baten, die kathol. Bekenntnisschule möge nicht nur unsere evangelischen Kinder, sondern auch in entsprechender Zahl unsere evangelischen Lehrer als Gastlehrer aufnehmen. Als dies der Augsburger Bischof verweigerte, konnten wir in Sonthofen und Hindelang die ersten neuen evangelischen Bekenntnisschulen Schwabens bei hundertprozentiger Beteiligung der Eltern durch deren Unterschrift begründen (nur ein Pazifist unterschrieb nicht, weil er grundsätzlich gegen jeden Kampf sei). c) in Neustadt : 1953 stellte die Bezirkssynode den Antrag auf eine erweiterte evangelische Bekenntnisschule unter Einschluß der (bereits vorhandenen und sorgsam gehüteten) katholischen Lehrkräfte; umgekehrt sollte in katholischen Gegenden verfahren werden. Wir wollten für Neustadt selbst eine Zerreißung der 10 Schule durch Gründung einer katholischen Bekenntnisschule vermeiden. Der ständige jährliche Schulkampf im nahen Bad Windsheim schreckte. Der Antrag wurde leider von der Landessynode nicht behandelt, da er einen Antrag auf Änderung der Bayerischen Verfassung zur Folge gehabt hätte. Es war sozusagen noch zu früh. - 1967 war dann die Zeit zu spät. Unter Einfluß von FDP (Frau Hamm-Brücher ) und SPD und unter Zustimmung der CSU wurden die Bekenntnisschulen des Landes in sog. christliche Gemeinschaftsschulen umgewandelt. Die beiden großen christlichen Kirchen stimmten zu. Zu spät gewachsen war die ökumenische Weisheit, die allein imstande gewesen wäre, auch in neuerer Zeit echt christliche Bekenntnisschulen unter gegenseitiger respektvoller Tolerierung zu erhalten. Ergebnis: "Erhalt uns, Herr. bei deinem Wort ….. " 2. Anhang: Das Ringen um den Weg der Kirche a ) Aus dem Kampf um die Schule ergibt sich, dass es kein Christentum ohne "Fasson" gibt. mag diese Fasson nun evangelisch oder katholisch sein. Dem Pluralismus unserer Zeit ist nicht nur jedes Bekenntnis ärgerlich, sondern letztlich der Glaube an den Dreifaltigen Gott. Unter Landesbischof D.Meiser haben wir eine Kanzelabkündigung gegen die Entmythologisierung der Botschaft Christi gelesen; mittlerweile hat diese doch einen teilweisen Einzug in den Gemeinden gehalten. Die Kirche wird heute und in Zukunft klar entscheiden müssen. wer nun eigentlich recht hat: Christus oder Pilatus. Hier gibt es kein Jein, sondern nur ein Ja oder Nein. b ) Eine besonders weich gewordene Stelle sehe ich auch in der neuen Trau-Agende. Zwar steht dort noch in eckigen Klammern "Ich spreche euch zusammen im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes". Aber mit dieser In-Klammer-Setzung ist der darin enthaltene Grundgedanke preisgegeben. Wenn zwei Christenmenschen sich vereinen, soll ihre Ehe gemäß ihrer heiligen Taufe geschlossen und geführt sein. Das ist: im Namen des Schöpfers, der sie schuf, Mann und Frau und sie segnete - im Namen des Erlösers. ohne dessen helfende Vergebung keine Ehe bestehen kann- im Namen des Heiligen Geistes, der da will, dass nicht allein biologisch Kinder geboren werden, sondern dass Eltern und Kinder sich stets neu wandeln aus Fleisch und Blut, das das Reich Gottes nicht ererben kann, in „Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist"; dass Menschenkinder Gottes Kinder werden. Der Bürgermeister schliesst keine Ehe, er protokolliert sie nur. Die Verlobten schliessen ihre Ehe selbst durch ihren „consen(s)us nupturientium" und die "copula carnalis". Dies beides aber muß für Christen bestätigt werden durch die 11 Zusammensprechung in der christlichen Gemeinde und eben damit durch die Erinnerung an die Heilige Taufe. Solcher Zusammensprechung - mag sie vollziehen, wer immer - soll dann noch Gebet und Segung folgen; aber die Segnung ersetzt genau genommen - die Zusammensprechung nur unvollkommen. c ) Eine andere Sache ist die Unruhe um die Konfirmation. Warum können wir eigentlich nicht 12-jährigen den Weg zum Tisch Christi öffnen? Als Jesus 12 Jahre alt war, nahmen ihn die Eltern mit in den Tempel (Luk. 2). Sollte diese einzige Jahreszahl aus dem Leben Jesu wirklich hier gar nichts bedeuten? Sollte die Erinnerung daran wirklich nur finsterer "Fundamentalismus" sein? Wir haben mit einiger Mühe das Konfirmationsalter in Neustadt mit Genehmigung der Landeskirche auf das 7. Schuljahr zurückgedreht. Wir haben es in mehrjährigem Gebrauch als erprobt empfunden. Die Nachfolger werden es vielleicht wieder ändern, um im gesamtbayerischen Rahmen zu bleiben. Aber auch anderwärts - so in "Christ und Welt" 1972 - wird von Stuttgart her der Vorschlag "12 Jahre" gemacht. Unsere Not kommt m.E. von einer gleichzeitigen über- und Unterschätzung der Konfirmationshandlung. Man überschätzt Wille und Verstand, man unterschätzt Seele, Herz und Gemüt. Gerade 12-jährige haben oft schon ein sehr feines Gewissen und ein herzliches Verlangen nach dem Tisch Gottes. Wenn die Stürme des Pubertätsalters kommen, geht das dem äusseren Anschein nach wieder verloren. Aber auch die moderne Psychologie und Tiefenpsychologie gibt dem alten Vers recht, der da sagt: "Frühe säe deinen Samen, was getan ist, ist getan". Welcher Bauer geht zum Säen, wenn ein Sturm durchs Land braust? Warum begehen wir aber als geistliche Säeleute solche Torheit? Ausserdem erwarten viele nach der Konfirmation vollkommene reife Christen und sind dann enttäuscht, meinen aber mit 18 es vielleicht eher schaffen zu können. Die Konfirmation im rechten Verstand ist m.B. ein Schritt im Glaubensleben, ein wichtiger Schritt, aber eben doch nur ein Schritt, dem später noch viele folgen müssen. Vielleicht ist auch bei künftiger staatlicher Erschwerung wie in der DDR der Weg der, dass man auf eine offizielle Konfirmation verzichtet und statt dessen die Eltern mit ihrem Kind nach einem Gespräch mit dem Seelsorger, dem "Pastor", dem Pfarrer zum Tisch Christi, zur Eucharistie und Danksagung kommen und sich miteinander "freuen in dem lebendigen Gott". Meine Hoffnung ist. dass es zu einer Neubelebung des Altarsakramentes kommt, wenn wir es wieder feiern, wie der Herr selbst es bei seiner Einsetzung gefeiert hat, mit dem großen Lobgesang: Freude an der Schöpfung (Ps.113), Freude an der Erlösung (Ps.114), Freude an dem Gott, der ein Gott der Hilfe und des Segens ist (Psalm 115), Freude an jedem Menschen, der sich zu diesem Gott bekennt (Psalm 116), Freude am Lobpreis der Völker (Psalm 117), Freude am Heiligen Geist, der erleuchtet und in alle Wahrheit leitet (Psalm 118). 12 Ergebnis: 1. Herr, du wollst uns vollbereiten zu deines Mahles Seligkeiten…2 …dass wir dein Wort und Sakrament behalten rein bis an des End. Veni, creator spiritus! 3. Anhang Hermann Heller Neustadt a.d.Aisch, den 5. 10. 1973 Dekan i.R. KR 853 Neustadt a.d.Aisch Eichelbergweg 32 An die Deutsche Zeitung - Christ und Welt - 7 Stuttgart 75 Aixheimerstr. 26 Zu "Analyse der Adolf -Hitler-Schulen und der Napolas Nr. 40 vom 5.10.1973 S. 14 Den Satz "Lediglich in Schwaben und im Maingau gab es keine NS - Eliteschulen" möchte ich richtigstellen. Für den Maingau mag er zutreffen, nicht aber für Schwaben. Ich war von 1938 bis 1952 evangelischer Pfarrer in Sonthofen im Allgäu (Schwaben). Aus dieser Zeit weiß ich, dass die dortige NS-Ordensburg (heute Generaloberst-Ludwig Beckh-Kaserne) damals mehrere Adolf-HitlerSchulen aufgenommen hatte, weil deren Gebäulichkeiten an andern Orten noch nicht fertig waren und infolge des Krieges auch nicht mehr erstellt wurden. Ich hatte selbst im Jahre 1939 und dann nochmals einige Jahre später ein Gespräch mit dem Leiter der dortigen Schulen. Es ging dabei um die Frage, ob den dortigen ARS-Schülern erlaubt würde, am örtlichen Konfirmandenunterricht teilzunehmen. Bei der ersten Unterredung erhielt ich die Auskunft, dass das gar nicht in Frage käme. Es könne höchstens auf Wunsch der Eltern ein eigener Pfarrer für die Burg durch Baldur von Schirach bestellt werden. Mit Religionsfreiheit, von der Hitler damals gerne sprach und auf die ich hinwies, habe das nichts zu tun. Hier sei eine geschlossene Erziehung und "wem das nicht passt, braucht seine Kinder nicht zu schicken". Im übrigen könne man ja "in den Ferien" konfirmieren lassen. In Sonthofen sei jedenfalls gegenüber der Herrnhuter Erziehung, auf die ich 13 hinwies, ein neuer Weg für die heranwachsende Führer-Generation beschritten; es gelte "den Dom des Deutschen Glaubens" zu bauen. Als ich davon sprach, dass auf der Burg den Schülern der christliche Glaube "madig gemacht" würde und zum Beweis auf die ständigen Austritte der AHS-Schüler hinwies, erklärte mein Gesprächspartner mit Entrüstung, es würde durchaus Ehrfurcht gelehrt vor allem, was früheren deutschen Geschlechtern heilig gewesen sei; jetzt aber würde ein neuer Erziehungstyp geformt. In der zweiten Unterredung ging es um die sog.""Napola" (die national-politischen Erziehungsanstalten). Es war damals ein Erlass des Reichserziehungsministers Rust herausgekommen, dass in den Napola christlicher Religionsunterricht stattfinden dürfe. Es handelte sich offenbar um eine sog. weiche Welle. Ich hatte diesen Erlass, der mir von Landesbischof Meiser in Abschrift übersandt worden war, dabei und überreichte ihn dem Burgleiter, der der gleiche war wie beim ersten Gespräch. Diesmal erklärte er fast lachend: "Herr Reichserziehungsminister Rust hat uns hier gar nichts zu sagen"; er würde übrigens den Schülern freistellen. ob sie einen Gottesdienst besuchen wollten oder nicht. "Ich sage Ihnen aber, es tanzt hier keiner aus der Reihe". - Anders sah es dann am Karfreitag 1945 aus. Am 22. Februar waren bei einem Fliegerangriff in Sonthofen c. 60 Menschen ums Leben gekommen. Der sehr mild gesinnte Kreisleiter ordnete gemeinsame Beerdigung aller Opfer ohne Unterschied des Religionsbekenntnisses an. Auch eine Gruppe AHS-Schüler der Ordensburg nahmen teil und hörten dabei den Vers Gustav Schülers, mit dem die evangelische Ansprache über Psalm 73, 23,24 schloß: "Und sollte alles Wanken und alles bräche ein, so sollen dein Gedanken in IHM verwurzelt sein; und wenn von deinen Wänden der letzte Pfeiler fällt, ER hat dich doch in Händen, der alle Himmel hält…" Drei AHS-Schüler, c.16 - 17- jährig, noch dazu in Uniform und mit der Armbinde AHS, nahmen bald darnach am Karfreitagsgottesdienst und an der Feier des Heiligen Mahles teil, obwohl das Tragen der Uniform im Gottesdienst damals verboten war - aber damals standen die Amerikaner schon bei Stuttgart und es war eben alles anders - ; sie erklärten auf mein Befragen, sie seien konfirmiert, der eine in Stuttgart. der zweite in München, der dritte in Berlin. Ich wünschte ihnen Gottes Segen und habe mich später manchmal gefragt, welches Schicksal ihnen wohl beim Zusammenbruch zuteil wurde. - Bald darnach rückten die Franzosen bei uns ein. Auch einige Panzerfäuste, die man den Burg-Schülern in die Hand drückte. konnte die Niederlage nicht mehr aufhalten. Beim Ausverkauf der Ordensburg konnte das Pfarramt aus der Schülerbücherei 30 Bibeln käuflich erwerben; sie trugen den Stempel der Burg, waren aber sonst wenig benutzt. Immerhin war in einer bei 1. Mose 1 mit Bleistift an den Rand geschrieben "Der jüdische Schöpfungsbericht" und bei einer andern im Johannes-Evangelium "Das VaterBewußtsein Jesu".

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