Ulrich FREIHERR VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF

Ulrich FREIHERR VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF

Eigenschaften

Art Wert Datum Ort Quellenangaben
Name Ulrich FREIHERR VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF
Beruf Klassischer Philologe

Ereignisse

Art Datum Ort Quellenangaben
Geburt 22. Dezember 1848 Gut Markowitz, Kujawien, Posen nach diesem Ort suchen
Tod 25. September 1931 Berlin nach diesem Ort suchen
Heirat 19. September 1878

Notizen zu dieser Person

Er lehrte und forschte als Professor in Greifswald (1876–1883), Göttingen (1883–1897) und Berlin (1897–1921). Mit seinen Editionsprojekten, seiner Erneuerung der Textkritik und Textinterpretation, seiner Einflussnahme auf die preußische Berufungspolitik und seiner Tätigkeit als Wissenschaftsorganisator war er einer der führenden Vertreter seines Faches und prägte die Klassische Philologie des 20. Jahrhunderts im internationalen Raum nachhaltig. Durch seine Arbeiten zu vielen Bereichen der griechischen Literatur, seine Neudefinition des Faches und nicht zuletzt durch seine zahlreichen Schüler übte er großen Einfluss auf die Klassische Philologie aus. Als Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften brachte er viele Akademievorhaben auf denWeg, besonders die Inscriptiones Graecae, die bis heute alle in Griechenland entdeckten Inschriften verzeichnen und herausgeben. Die Wilamowitz-Moellendorffs haben den zweiten Bestandteil ihres Doppelnamens von Generalfeldmarschall Wichard von Möllendorff (1724–1816), der selbst kinderlos war und im hohen Alter den preußischen Major Theodor von Wilamowitz (1768–1837) und damit indirekt dessen drei Söhne adoptierte. Hugo, Ottokar und Arnold trugen ab 1815 mit königlicher Erlaubnis den Doppelnamen von Wilamowitz-Moellendorff. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff war das dritte von fünf Kindern und der zweite Sohn des Gutsbesitzers Arnold von Wilamowitz-Moellendorff (1813–1888) und dessen Ehefrau Ulrike, geborene von Calbo (1820–1874). Seine Geschwister waren der spätere Oberpräsident der Provinz Posen, Hugo von Wilamowitz-Moellendorff (1840–1905), der Husar Tello von Wilamowitz-Moellendorff (1843–1903) und der spätere Major Georg Wichard von Wilamowitz-Moellendorff (1852–1910). Er hatte noch eine Schwester Maria, die jedoch früh verstorben ist (16.–24. November 1847). Wilamowitz (vollständiger Name Enno [auch: Emmo] Friedrich Wichard Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff) verbrachte seine Kindheit auf dem väterlichen Gut Markowitz in Kujawien. Zunächst von einem Hauslehrer unterrichtet, bezog er 1862 als Tertianer die traditionsreiche Landesschule Pforta. Dort traf Wilamowitz auch den älteren Friedrich Nietzsche und wurde wie dieser ein Spitzenschüler. Am 28. Februar 1864 wurde Wilamowitz konfirmiert, war aber zeit seines Lebens eher Agnostiker. Der Direktor der Landesschule, Karl Ludwig Peter, bei dem Wilamowitzals Extraneer (Externer) wohnte, und der Lehrer Wilhelm Paul Corssen weckten in dem Schüler Begeisterung für die Altertumswissenschaften. Wilamowitz las lateinische und griechische Autoren, besonders die griechischen Tragiker zogen ihn an. Carl Ludwig Peter empfahl seinem Schüler auch die Lektüre der Römischen Geschichte von Theodor Mommsen, obwohl er sie selbst mit einer kritischen Replik bedacht hatte. m September 1867 verließ Wilamowitz Schulpforta mit dem Reifezeugnisund bezog die Universität Bonn, um Klassische Altertumswissenschaften zu studieren. Hier wurde er stark von den Vertretern der sogenannten Bonner Schule der Klassischen Philologie Otto Jahn und Hermann Usener geprägt. Daneben besuchte Wilamowitz die Lehrveranstaltungen des Kunsthistorikers Anton Springer und beschäftigte sich drei Semester lang bei dem Privatdozenten Johannes Schmidt mit Sanskrit. Zu Schmidt äußerte er in seinen 1928 verfassten Erinnerungen 1848–1914 anerkennende Worte. Auch die Veranstaltungen bei den Philologen Jacob Bernays und Friedrich Gottlieb Welcker besuchte er. Er äußerte sich auch mit lobenden Worten über den Althistoriker Heinrich Nissen, damals geradePrivatdozent, nach dem Besuch eines einzigen seiner Seminare. In seiner Bonner Studienzeit freundete sich Wilamowitz mit dem gleichaltrigen Hermann Diels an und lernte die jüngeren Kommilitonen GeorgKaibel und Carl Robert kennen, mit denen ihn später eine feste Freundschaft verband. Mit Diels, Robert und den späteren Gymnasiallehrern Walther Engel und August Fritzsche traf sich Wilamowitz regelmäßig inseiner Bonner Wohnung, wo die Studenten ein sogenanntes contubernium(„Zeltgemeinschaft“) abhielten. Die zunehmende Polarisierung zwischen den Bonner Professoren Otto Jahn und Friedrich Ritschl, die im sogenannten Bonner Philologenkrieg (1865) gipfelte, hatte einen großen Teil der Bonner Philologiestudenten in zwei Lager gespalten. Viele Bonner Studenten waren mit Ritschl an die Universität Leipzig gezogen, darunter auch Nietzsche und ErwinRohde. Nach Jahns Tod im September 1869 wechselte Wilamowitz zum Wintersemester 1869/1870 gemeinsam mit Diels an die ebenfalls traditionsreiche Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, wo ihn der Philologe Moriz Haupt, ein Pionier der modernen Textkritik, anzog. Hier wurde Wilamowitz im folgenden Semester mit der Dissertation Observationes criticae in comoediam Graecam selectae („Ausgewählte textkritische Beobachtungen zur griechischen Komödie“) promoviert (20. Juli 1870), deren Hauptgutachter Haupt war; sein Rigorosum hatte er am 14. Juli abgelegt. Noch im selben Monat trat Wilamowitz als Einjährig-Freiwilliger den Dienst im preußischen Militär an. Im wenige Tage zuvor ausgebrochenenDeutsch-Französischen Krieg wurde er als Gardegrenadier des Ersatzbataillons des 2. Garderegiments eingesetzt. Zu seiner großen Enttäuschung bekam er keine Gelegenheit, sich im Gefecht zu beweisen. Am 20. Juli 1871, wenige Monate nach Kriegsschluss, endete Wilamowitz’ einjähriger Militärdienst und er kehrte nach Berlin zurück. Zu dieser Zeit kam er zum ersten Mal persönlich mit dem berühmten Historiker TheodorMommsen in Kontakt, der Gefallen an Wilamowitz’ Arbeit fand und ihn einige Jahre später mit der Herausgabe der Kleinen Schriften des verstorbenen Moriz Haupt beauftragte. Ab August 1872 unternahm Wilamowitz, begleitet von Georg Kaibel, eine eineinhalbjährige Studienreise durch Italien und Griechenland, während der er zahlreiche Handschriftenkopierte. Im Jahr 1872 kam es auch zum Konflikt mit Friedrich Nietzsche. Nietzsche, seit 1869 Professor in Basel, hatte im Mai 1872 die Schrift DieGeburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik veröffentlicht und damit eine öffentliche Kontroverse ausgelöst. Dabei ging es um die Abwertung des Euripides, dem Nietzsche die Zerstörung der Tragödie vorwarf. Er setzte gegen den klassizistischen oder historistischen Ansatz der damaligen philologischen Wissenschaft ein intuitives, irrationalesElement. Die etablierten Philologen Deutschlands ignorierten Nietzsches Angriff, weil sie seine Arbeit nicht ernst nahmen; auch der von Nietzsche verehrte Professor Ritschl distanzierte sich von der Schrift. Der einzige öffentliche Tadel aus den Reihen der Philologen kam vom jungen Wilamowitz, der im Mai 1872 in der von Rudolf Schöll angeregten Streitschrift Zukunftsphilologie! äußerte: „herr Nietzsche trittja nicht als wissenschaftlicher forscher auf: auf dem wege der intuition erlangte weisheit wird teils im kanzelstil, teils in einem raisonnement dargeboten, welches dem journalisten […] nur zu verwandt ist.“ Auf die Polemik, mit der Wilamowitz Nietzsches aus Sicht der Philologie unsaubere wissenschaftliche Arbeitsweise kritisierte, ohne inhaltlich auf dessen Thesen einzugehen, reagierte Nietzsche nicht. Sein Freund Erwin Rohde jedoch verfasste eine Gegenschrift mit dem Titel Afterphilologie, in der er ebenfalls gegen Wilamowitz nur polemisierte, und Richard Wagner schrieb einen offenen Brief. Im Februar 1873 reagierte Wilamowitz mit einer Replik: Zukunftsphilologie!, zweites Stück. Eine erwidrung auf die rettungsversuche für Fr. Nietzsches ‚Geburt der Tragoedie‘. Damit endete der Streit ohne Einigung. Die Fachwelt hatte die Kontroverse mit Schweigen und Kopfschütteln verfolgt. Die eifernden gegenseitigen Anschuldigungen, größtenteils von Seiten Wilamowitz’ und Rohdes, waren von Aneinander-vorbei-Reden und Vermeidung der Kernthemen durch Polemik geprägt. Nietzsche wandte sich seiner Neigung folgend endgültig von der Klassischen Philologie ab, was Wilamowitz begrüßte. Erst Jahrzehnte spätersollte sich Nietzsches Wirkung fachübergreifend manifestieren, während Wilamowitz’ antiklassizistische Sicht seit den 20er Jahren des 20.Jahrhunderts durch den „Dritten Humanismus“ verdrängt wurde. In seinen 50 Jahre später verfassten Erinnerungen motiviert Wilamowitz die Abfassung seiner Gegenschrift besonders mit dem Bedürfnis, die aus Sicht der Philologie unlautere Herangehensweise Nietzsches darzustellen,sowie unter anderem mit der scharfen Polemik Nietzsches gegen den von Wilamowitz verehrten Otto Jahn wegen seiner kritischen BesprechungRichard Wagners. Im April 1873 wurde Wilamowitz in Rom korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts. Hier festigte er seine Kontakte zu Kaibel und Robert und schloss Freundschaft mit seinem späteren Göttinger Kollegen Friedrich Leo. Außerdem begann hier sein regelmäßiger Kontakt mit Theodor Mommsen, mit dem er zeitlebens ein vertrautes, wenn auch spannungsreiches Verhältnis pflegte. Die Aufregung, welche der Laie Heinrich Schliemann zu dieser Zeit durch die Entdeckung des von ihm so genannten „Schatzes des Priamos“ verursachte, fand auchin Rom Widerhall. Besonders die Geschichte von Schliemanns Frau, dieden Schatz in ihrem Umschlagtuch an den Wachen vorbeigeschmuggelt haben soll, beflügelte die Phantasie und den Spott der Fachwelt. Zur Weihnachtsfeier des Deutschen Archäologischen Instituts verkleidete sich Wilamowitz als Schliemanns Frau und stellte die Szene zur allgemeinen Erheiterung nach. In späteren Jahren bereute er diese „würdelose Travestie“. Nach den Reisen widmete sich Wilamowitz in Berlin seiner Habilitation, die er am 30. Juli 1875 mit den Theodor Mommsen gewidmeten Analecta Euripidea erreichte. Am 7. August hielt er seine Antrittsvorlesung. Einen Ruf an die Universität Breslau als außerordentlicher Professorlehnte Wilamowitz ab. Stattdessen ging er zu Ostern 1876 als Nachfolger Eduard Hillers an die Universität Greifswald auf eine Stelle, dieeigentlich für Friedrich Nietzsche vorgesehen war. In Greifswald blieb er bis 1883. Am 20. September 1878 heiratete Wilamowitz in Charlottenburg die 23-jährige Marie Mommsen (1855–1936), die älteste Tochter von Theodor Mommsen. Wilamowitz schrieb später, dass mit der Heirat „ein neues besseres Leben begann“. Das Paar bekam drei Söhne und vier Töchter: Dorothea (1879–1972), Adelheid (1881–1954), Gottfried Hermann (*/† 1882), Tycho (1885–1914), Hermann (1887–1938) und Hildegard (1892–1989). Tychos Zwillingsschwester starb eine Woche nach der Geburt. In Greifswald fühlte sich Wilamowitz aus zwei Gründen unbehaglich: Stadt und Universität waren klein und nach seinen Begriffen verschlafen, und im Kollegium war er wegen seines scharfen Tones und seiner schonungslosen Kritik isoliert, zumal er sich etwa mit dem AlthistorikerOtto Seeck, den Mommsen empfohlen hatte, nicht verstand. Seine ersten größeren Publikationen erhielten nicht die erwünschte Aufmerksamkeit. Daneben beschäftigte sich Wilamowitz gemeinsam mit seinem Fachkollegen Adolph Kießling mit der Herausgabe der Reihe Philologische Untersuchungen, die von 1880 bis 1925 in dreißig Bänden erschienen, und half Mommsen bei der Bearbeitung des fünften Bandes der Römischen Geschichte. Er verfasste auch Beiträge für die Zeitschriften Philologus und Hermes; die Ausrichtung der Letzteren bestimmten Mommsen und er. Nach einem Streit mit dem Herausgeber Emil Hübner (1881) bestellte Wilamowitz seine Studienfreunde Carl Robert und Georg Kaibel zu den neuen Herausgebern des Hermes. Den Weggang aus Greifswald ermöglichte ein Ruf an die Universität Göttingen, der durch Wirkung des mit Wilamowitz befreundeten Ministerialdirektors Friedrich Althoff im Juli 1883 an ihn erging. Zum Wintersemester 1883 zog Wilamowitz als Nachfolger des emeritierten Ernst von Leutsch nach Göttingen. Wilamowitz erwirkte, dass Georg Kaibel als sein Nachfolger nach Greifswald berufen wurde. Bereits 1877, als der Göttinger Lehrstuhl für Klassische Philologie vakant war, war Wilamowitz neben Erwin Rohde und Karl Dilthey von derUniversitätsleitung als Kandidat gehandelt worden. Wegen des Widerstandes von Seiten Ernst von Leutschs gegen die Berufung Wilamowitz’ wurde jedoch damals Dilthey auf den Lehrstuhl berufen.[15] Da Leutsch und Sauppe altersbedingt nur wenig zur Lehre beitragen konnten und Dilthey häufig krank war, bemühte sich Wilamowitz um die Berufung kompetenter Kollegen. 1889 kamen Friedrich Leo und Wilhelm Meyer an die Universität. Die Unzulänglichkeit des Althistorikers Christian August Volquardsen zwang Wilamowitz, auch die Alte Geschichte in der Lehre zu vertreten. Nach langen Bemühungen um eine Versetzung wurde Volquardsen 1897 bewegt, die Stelle mit dem Kieler Althistoriker Georg Busolt zu tauschen, der bis zu seinem Tode (1920) in Göttingen lehrte und forschte. Die Göttinger Zeit schätzte Wilamowitz später oft als „die glücklichste Zeit meines Lebens“ ein. Mit den Kollegen, vor allem mit Hermann Sauppe und Friedrich Leo, und mit dem auf Althoffs Wirken 1892 eingestellten Alttestamentler Julius Wellhausen verstand er sich bestens. Dem Letzteren, der in Greifswald sein Kollege gewesen war, hatte er 1884 seine Homerischen Untersuchungen gewidmet. In Göttingen ergingen mehrere Rufe anderer Universitäten an Wilamowitz, die dieser alle ablehnte: 1885 aus Straßburg, 1886 aus Heidelberg und 1889 aus Bonn (als Nachfolger des verstorbenen Eduard Lübbert). Schon 1880 war in der Bonner Philosophischen Fakultät Wilamowitz als Nachfolger für den 1877 verstorbenen Friedrich Heimsoeth gehandelt worden, aber aus finanziellen Gründen entschied man sich für Lübbert. Im akademischen Jahr 1891/1892 war Wilamowitz Prorektor der Universität Göttingen. Januar 1892wurde Wilamowitz als ordentliches Mitglied in die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen gewählt, und nach Hermann Sauppes Tod im September 1893 wurde er 1894 Sekretär der Gesellschaft. Ebenfalls im Jahr 1894 wurde er vom Deutschen Archäologischen Institut zum ordentlichen Mitglied erklärt. Schon seit 1895 betrieb Friedrich Althoff in Berlin die Berufung Wilamowitz’ zum Professor an die Berliner Universität. Sein Studienfreund Hermann Diels, der seit 1882 außerordentlicher, seit 1886 ordentlicher Professor an der Universität war, unterstützte diese Bemühungen.Neben Skrupeln Wilamowitz’, Göttingen zu verlassen, stand vor allem die entschiedene Opposition der Berliner Professoren Ernst Curtius, Adolf Kirchhoff und Johannes Vahlen im Weg. Erst nach Curtius’ Tod im Juli 1896 konnte sich Wilamowitz entschließen, dem Ruf als Nachfolgervon Curtius nach Berlin Folge zu leisten und seine Professur im Sommersemester 1897 anzutreten. Auf seinen Göttinger Lehrstuhl empfahl erGeorg Kaibel – wie 1883 in Greifswald. In Berlin entfaltete Wilamowitz eine rege wissenschaftliche Tätigkeit. Er wirkte nach Mommsens Vorbild als Wissenschaftsorganisator und Vermittler zwischen den Staaten. Zu den von Althoff erhandelten Konditionen seines Lehrstuhls zählte die Befreiung von Examina, aber auch die Gründung des Instituts für Altertumskunde, dem Wilamowitz und Diels vorstanden, sowie regelmäßige öffentliche Vorträge, die Wilamowitzan jedem Montag und Donnerstag hielt und die stets gut besucht waren. Außerdem fand in seiner Westender Wohnung (Eichenallee 12 – hier ein Nachbar der Eltern des Philosophen Leonard Nelson) alle zwei Wochen ein Treffen statt, bei dem kursorisch griechische Quellentexte gelesen wurden und das als „Graeca“ bekannt war. 1899 trat Wilamowitz inden Vorstand des Deutschen Archäologischen Instituts ein. Die Preußische Akademie der Wissenschaften, die Wilamowitz 1891 als korrespondierendes Mitglied aufgenommen hatte, wählte ihn 1899 nach dem Tode Heinrich Kieperts zum ordentlichen Mitglied. Wilamowitz spielte eine führende Rolle in der Akademie und übernahm 1902 ihre Leitung. Einen Schicksalsschlag stellte der Tod seines engen Freundes Kaibel 1901 dar. Nur zwei Jahre später starb Mommsen hochbetagt. Wilamowitz trieb seine Arbeit trotz dieser Verluste unablässig voran. Gastvorträge im Ausland hielt er in Oxford (1908) und Uppsala (1912). Eine amerikanische Gastprofessur im Wintersemester 1912/1913 lehnte er ab, weil er das dortige Kollegium als unterlegen empfand. Im April 1913 nahm er am Dritten Internationalen Historikerkongress in London teil, im akademischen Jahr 1915/1916 übte er das Amt des Rektors der Berliner Universität aus. Ein einschneidendes Ereignis war für Wilamowitz der Erste Weltkrieg.Der streng konservative Sohn eines Großgrundbesitzers trat mit glühendem Patriotismus für sein preußisches Vaterland ein. Er hielt patriotische Vorträge, die er 1915 auch drucken ließ, initiierte 1914 die Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches und unterzeichnetedas Manifest der 93. Zur gleichen Zeit fiel sein Sohn Tycho an der Ostfront. Seine Einstellung und Aktivitäten kosteten ihn teilweise sein Ansehen im Ausland. 1915 wurde ihm die Mitgliedschaft in der Pariser Académie des Inscriptions et Belles-Lettres aberkannt. Wilamowitz’Einstellung zum Krieg änderte sich, als er die Dimensionen des modernen Vernichtungskrieges erkannte. Im Jahr 1917/1918 gehörte Wilamowitz dem Preußischen Herrenhaus an. Der Zusammenbruch des wilhelminischen Kaiserreichs 1918 und der Tod seiner Freunde Diels und Robert (beide 1922) verbitterten ihn. Seine Vorlesungen hatten zu dieser Zeit aus Enttäuschung das früher typischePathos verloren, öffentliche Vorträge und Reden hielt er kaum noch.[19] Seine Emeritierung im Jahr 1921 empfand er als verfrüht und ungerecht; er hielt auch weiterhin Vorlesungen und Seminare ab. Nachfolgerauf dem Lehrstuhl wurde sein Schüler Werner Jaeger (1888–1961), der sich schon in vielerlei Hinsicht von Wilamowitz abgewandt hatte. Trotzdem hielt Wilamowitz weiterhin Vorlesungen an der Universität, bis seine Gesundheit es nicht mehr ermöglichte. 1925 hielt Wilamowitz Vorträge in Kopenhagen. 1928 gratulierten ihm die Zeitschriften Philologus, Hermes, Die Antike und Gnomon zum achtzigsten Geburtstag, und die Berliner Studenten veranstalteten einen Fackelzug zu seinen Ehren. Um 1927 begann Wilamowitz’ Gesundheit sich rapide zu verschlechtern.Im September hielt er seinen letzten Vortrag auf der Göttinger Philologenversammlung. Sein letztes großes Werk ist der Glaube der Hellenen, ein Gegenentwurf zu Hermann Useners Götternamen (Bonn 1896). Eine Nierenerkrankung fesselte Wilamowitz ans Bett, so dass er das Werk unter Einfluss von Schmerzmitteln seiner Tochter Dorothea diktierte, die seit 1905 mit dem Epigraphiker Friedrich Hiller von Gaertringen verheiratet war. 1929 musste Wilamowitz die Arbeit abbrechen; das Werk wurde von dem Epigraphiker Günther Klaffenbach herausgegeben. Am 17. und 18. Juli 1931 nahm er zum letzten Mal an den Sitzungen des Deutschen Archäologischen Instituts teil. Am 25. September starb Ulrich vonWilamowitz-Moellendorff im 83. Lebensjahr, nachdem er mehrere Wochenin komatösem Zustand gelegen hatte. Er wurde auf seinen Wunsch hin im Familiengrab der Freiherren von Wilamowitz-Moellendorff in Möllendorf (heute Wymysłowice, Woiwodschaft Kujawien-Pommern) bestattet, wohin sein Sohn Hermann die Urne mit der Asche seines Vaters brachte, die zusammen mit der seiner Frau noch neben dem für Sohn Tycho errichteten Kenotaph ruht. Die Grabstätte wurde bis vor einigen Jahren regelmäßig von Schülern und Studenten der Umgebung gepflegt.

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Titel Unsere Vorfahren
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Hochgeladen 2023-04-26 02:48:13.0
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