Heinrich I. VON SACHSEN

Heinrich I. VON SACHSEN

Eigenschaften

Art Wert Datum Ort Quellenangaben
Name Heinrich I. VON SACHSEN
Beruf König von Deutschland 919-936 Herzog von Sachsen 912-936

Ereignisse

Art Datum Ort Quellenangaben
Geburt etwa 876
Tod 2. Juli 936 Pfalz Memleben nach diesem Ort suchen
Heirat
Heirat

Ehepartner und Kinder

Heirat Ehepartner Kinder

Mathilde VON RINGELHEIM
Heirat Ehepartner Kinder

Hatheburg ...

Notizen zu dieser Person

Heinrich I. (* um 876; † 2. Juli 936 in der Pfalz Memleben), heimatkundlich auch als Heinrich der Vogler oder Heinrich der Finkler bekannt, aus dem Adelsgeschlecht der Liudolfinger war ab 912 Herzog von Sachsen und von 919 bis 936 König des Ostfrankenreiches.
Als zu Beginn des 10. Jahrhunderts wiederholte Ungarneinfälle und die Schwäche des spätkarolingischen Königtums das Ostfränkische Reich erschütterten, gelang es Heinrich durch geschickte Heiratsverbindungen, sich in Sachsen eine führende Stellung aufzubauen. Er nutzte hierzu den Umstand, dass Adelsfehden zwischen den mächtigen Aristokratenfamilien um die Vorherrschaft in den einzelnen Stammesgebieten des ostfränkischen Reiches zu einer Etablierung regionaler Mittelgewalten, der späteren Herzogtümer, führten. Anders als sein Vorgänger Konrad I. versuchte Heinrich als ostfränkischer König nicht mehr die Herrschaft im ganzen Reich auszuüben. Vielmehr konsolidierte er seine Herrschaft gegenüber den ostfränkischen Herzögen, den duces, durch Freundschaftsbündnisse und einen weitreichenden Verzicht in der Herrschaftsausübung außerhalb der etablierten, aber labilen Strukturen. Nach einem neunjährigen Waffenstillstand mit den Ungarn, den er zur Entwicklung umfangreicher Verteidigungsmaßnahmen nutzte, gelang ihm 933 ein Sieg gegen die lange Zeit als unbesiegbar geltenden Ungarn. In Abkehr von der karolingischen Praxis seiner Vorgänger wurde das Reich nach seinem Tod nicht mehr geteilt, sondern an seinen ältesten Sohn aus zweiter Ehe Otto vererbt, während der ältere Sohn Thankmar unberücksichtigt blieb.
Die Zeit Heinrichs I. gehört zu den quellenärmsten des gesamten europäischen Mittelalters. Die erst Jahrzehnte nach seinem Tod verfassten ottonischen Geschichtswerke würdigen insbesondere Heinrichs Einung und Befriedung des Reiches nach innen und außen. Lange Zeit galt Heinrich als erster „deutscher“ König im „deutschen Reich“. Erst in der modernen Forschung setzte sich die Auffassung durch, dass das Deutsche Reich nicht durch einen Akt, sondern in einem lange währenden Prozess entstanden ist. Gleichwohl wird Heinrich darin weiterhin eine entscheidende Rolle zugemessen.

Die Familie Heinrichs lässt sich väterlicherseits nur bis zu Heinrichs Großvater Liudolf zurückverfolgen. Dieser ist mehrfach als comes (Graf) belegt und hatte als solcher die Aufgabe, königliche Rechte in einer bestimmten Grafschaft, einem comitatus, auszuüben.[1] Die Güter der Liudolfinger lagen an den westlichen Ausläufern des Harzes, an Leine und Nette mit Gandersheim, Brunshausen, Grone und möglicherweise Dahlum und Ahnhausen.[2] Diesen Reichtum verdankte das Geschlecht zu einem großen Teil seiner engen Verbindung zu den karolingischen Königen des ostfränkischen Reiches, da die Vorfahren Liudolfs als fränkische Parteigänger im Sachsenkrieg nicht zu den Gegnern Karls des Großen gehört hatten. Die wichtigsten Orte ihres Herrschaftsgebiets und Zentren der familiären Memoria bildeten die Frauenkommunitäten, die sie zunächst in Brunshausen und ab 881 im nahe gelegenen Stift Gandersheim gründeten. Ihre engen Beziehungen zum Stift Gandersheim bezeugen zahlreiche Schenkungen und Stiftungen.
Liudolf war mit Oda, der Tochter eines fränkischen Großen, verheiratet. Aus dieser Ehe gingen unter anderem die Kinder Otto, genannt der Erlauchte, und Brun hervor. Brun wurde in der Folge wohl Familienoberhaupt der Liudolfinger. Er fiel 880 miteinem hauptsächlich aus Sachsen bestehenden Heer im Kampf gegen Normannen. Die spärlichen Quellen zum Ende des 9. Jahrhunderts sagen wenig über die Stellung Ottos des Erlauchten. Otto wurde unter nicht näher bekannten Umständen Laienabt des Reichsklosters Hersfeld und übte so maßgeblichen Einfluss auf diese Abtei im sächsisch-fränkischen Raum aus. Otto ist der einzige bezeugte Laienabt im ostfränkischen Reich, was die Bedeutung seiner Stellung verdeutlicht.[3] Er war mit Hadwig aus dem fränkischen Geschlecht der älteren Babenberger verheiratet. Aus dieser Ehe ist u.a. Heinrich hervorgegangen. Ein engeres verwandtschaftliches Verhältnis bestand zwischen Otto dem Erlauchten und den Karolingern Ludwig dem Jüngeren und Arnulf von Kärnten. Ottos Schwester Liudgard war mit Ludwig dem Jüngeren verheiratet. Den aus einer illegitimen Verbindung König Karlmanns stammenden Arnulf begleitete Otto wohl 894 auf einem Italienzug. Im Jahr 897 heirateten Ottos Tochter Oda und Arnulfs illegitimer Sohn Zwentibold.
Bereits zu Lebzeiten Ottos wird eine stärkere Konzentration auf Sachsen deutlich. Auf Reichsebene trat Otto zwischen 897 und 906 als Intervenient in Königsurkunden nur sporadisch auf. Spätestens im Frühjahr 906 übertrug er Heinrich ein militärisches Kommando gegen die slawischen Daleminzier im Raum um Meißen.[4] Der Ausgang der Babenberger Fehde, die um Herrschaftspositionen zwischen den mainfränkischen Babenbergern und den fränkischen Konradinern geführt wurde, hatte Auswirkungen aufdie Königsnähe der Großen. Die Konradiner gingen aus der Fehde als Sieger hervor und übernahmen die dominante Rolle am Königshof, während die Königsnähe der Liudolfinger verloren ging. Dies war der Grund für die stärkere Konzentration auf Sachsen. Bislang hatten sich die Liudolfinger bemüht, Heiratsverbindungen mit Angehörigen des fränkischen Volkes einzugehen. Kurze Zeit später gelang es Heinrich, sich mit Hatheburg, einer der beiden Töchter des wohlhabenden sächsischen Adligen Erwinvon Merseburg, zu vermählen und somit die liudolfingischen Besitzungen auszudehnen. Gegen diese Ehe, aus der mit Thankmar ein Sohn hervorging, bestanden ernste kirchenrechtliche Bedenken, da Hatheburg nach ihrer ersten Ehe bereits Nonne gewordenwar. Hatheburg wurde wenig später zurück ins Kloster geschickt, ihr reiches Erbe in und um Merseburg behielt Heinrich aber. Im Jahr 909 heiratete in der Königspfalz Wallhausen der 33-jährige Heinrich die wohl erst 13-jährige Mathilde, eine Nachfahrin des Sachsenherzogs Widukind. Die Zustimmung dazu gab die Herforder Äbtissin und Großmutter Mathildes gleichen Namens. Durch Mathildes Vater Dietrich, einen westfälischen Grafen, konnten die Liudolfinger Verbindungen zu den westlichen Landesteilen des damaligen Sachsen knüpfen.
Herzog von Sachsen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Durch den Tod Ottos des Erlauchten am 30. November 912 hatte der neue ostfränkische König Konrad I. die Möglichkeit, die Verhältnisse in Sachsen umzugestalten. Im Kloster Corvey feierte Konrad das Fest Mariä Reinigung und bestätigte dessen Privilegien. Dem Reichskloster Hersfeld, dessen Laienabt Otto gewesen war, sicherte Konrad am 18. Februar 913 in Kassel die freie Abtwahl zu und privilegierte das Kloster Meschede. Heinrich konnte dadurch die Nachfolge seines Vaters als Laienabt nicht antreten. Widukind von Corvey zufolge lehnte Konrad es ab, Heinrich die ganze Macht des Vaters zu übertragen.[5] Die aufgebrachten Sachsen hätten daraufhin ihrem Herzog geraten, seine Ansprüche gewaltsam durchzusetzen. Laut Widukinds Erzählung, die die verhärteten Fronten zwischen Konrad und Heinrich illustriert, soll Konrad mit Unterstützung des Mainzer Erzbischofs Hatto Heinrich nach dem Leben getrachtet haben. Mittels einer eigens in Auftrag gegebenen goldenen Halskette und reicher Geschenke sollte Heinrich zum Besuch eines Gastmahls (convivium) bewogen und dann umgebracht werden. Das Mordkomplott sei jedoch vom Goldschmied der Halskette selbst an Heinrich verraten worden.[6] Heinrich verwüstete daraufhin die thüringischen und sächsischen Besitzungen des Mainzer Erzbischofs. Anschließend verteilte er diese Eroberungen an seine Vasallen. Nun sandte Konrad seinen Bruder Eberhard mit einem Heer nach Sachsen, das jedoch geschlagen wurde. 915 trafen die Heere von Konrad und Heinrich bei Grone (westlich von Göttingen) aufeinander. Heinrich war dem König militärisch unterlegen und scheint sich in einem offiziellen Akt der Unterwerfung, mit der er König Konrad als König anerkannte, gefügt zu haben. Der ostfränkische König und der sächsische Herzog einigten sich auf die Anerkennung des status quo und die gegenseitige Respektierung der Einflusszonen. Nach 915 sind keine Konflikte mehr zwischen Konrad und Heinrich überliefert. Wenig wahrscheinlich istjedoch, dass Konrad seinem Widersacher Heinrich bereits in Grone die Thronnachfolge zugesichert hat,[7] wie in der Forschung bisweilen gemutmaßt wurde.
Die gegensätzlichen Vorstellungen König Konrads und der Herzöge über das Verhältnis zwischen Königtum und Adel waren nicht miteinander zu versöhnen. Als Konrad 917 seine Schwäger Erchanger und Berthold hinrichten ließ, wurde Burkhard vom schwäbischen Adel zum Herzog von Schwaben erhoben. Spätestens 916 verschlechterte sich zudem Konrads Verhältnis zum bayerischen Luitpoldinger Arnulf so sehr, dass Konrad gegen ihn militärisch vorging. In den folgenden Auseinandersetzungen zog Konrad sich eine schwere Verwundung zu, die seinen Aktionsradius erheblich einschränkte und der er am 23. Dezember 918 erlag.[8]

Der Herrschaftsübergang von Konrad I. auf Heinrich I. wird von Liutprand von Cremona, Adalbert von Magdeburg und Widukind von Corvey in gleicher Weise geschildert: König Konrad selbst habe vor seinem Tod den Auftrag gegeben, Heinrich die Königswürde anzutragen und ihm die Insignien zu überbringen. Sein Bruder Eberhard habe dies ausgeführt. Nach Widukinds vieldiskutiertem Bericht soll der sterbende König seinem Bruder Eberhard selbst befohlen haben, auf den Thron zu verzichten und die Insignien höchster „Staatsgewalt“ (rerum publicarum summa) aus Mangel an fortuna (Glück) und mores (oftmals in der Forschung mit „Königsheil“ übersetzt) dem Sachsenherzog Heinrich zu übertragen.[9] In der Aussage, dass Heinrich durch den Willen Konrads König wurde, stimmen die Berichte überein. Nach Widukind jedoch war Eberhard allein an Konrads Sterbebett, während laut Adalbert Konrad seine Brüder und Verwandten, die Häupter der Franken (fratribus et cognatis suis, maioribus scilicet Francorum), beschwor, Heinrich von Sachsen zu wählen. Liutprand wiederum lässt Konrad die Herzöge von Schwaben, Bayern, Lothringen, Franken und Sachsen zu sich rufen, um ihnen zu befehlen, den nicht anwesenden Heinrich zum König zu machen. Ob eseine Designation Heinrichs durch den sterbenden Konrad gegeben hat, wie es die ottonische Geschichtsschreibung behauptet, ist in der Forschung umstritten. Gegen die Ausführung einer öffentlichen Designation spricht die ungewöhnlich lange Thronvakanz von etwa fünf Monaten, bevor es zwischen dem 14. und 24. Mai 919 in Fritzlar zur Erhebung Heinrichs zum König kam. Es scheint daher eher zäher Verhandlungen bedurft zu haben, bis die Königswahl erfolgen konnte.[10]
Königserhebung in Fritzlar im Mai 919[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In der Königspfalz Fritzlar im fränkisch-sächsischen Grenzbereich wurde Heinrich im Mai 919 zum König erhoben. Zuvor hatte Eberhard sein Verhältnis zu Heinrich geregelt. Als amicus regis (Freund des Königs) und Herzog von Franken blieb Eberhardbis zum Tod Heinrichs einer der wichtigsten Männer im Reich. Nach Widukinds vieldiskutiertem „Salbungsverzicht“ habe der Konradiner Eberhard vor den versammelten Franken und Sachsen Heinrich als König anerkannt. Als ihm der Mainzer Erzbischof Heriger die Salbung mit der Krönung angeboten habe, soll Heinrich daraufhin geantwortet haben: „Es genügt mir […] vor meinen Vorfahren das voraus zu haben, daß ich König heiße und dazu ernannt worden bin.“[11] Salbung und Krönung sollten Würdigeren vorbehalten bleiben. Gerd Althoff und Hagen Keller (1985) haben – abweichend von der traditionellen Auffassung – das Wort maiores bei Widukind auf „die Großen“ bezogen anstatt mit „Vorfahren“ zu übersetzen.[12] Nach diesem Verständnis ist Heinrichs Aussage eine programmatische Äußerung, die seine Bereitschaft, auf wesentliche Vorrechte des Königtums zu verzichten, zeige. Dagegen möchte Ludger Körntgen (2001) den Begriff maiores wieder als Vorfahren verstehen und verweist in dem Zusammenhang auf die historiographische Konzeption Widukinds. Demnach verfolge Widukind in seiner Darstellung eine „Dreistufigkeit des ottonischen Königtums“: von der Bescheidenheit des Vaters gegenüber den Vorfahren (maiores), die bereits Otto dem Erlauchten die Krone angeboten hätten, über König Heinrich selbst, der in prophetischer Voraussicht die Salbung den noch nicht gekommenen Würdigeren (meliores) vorbehalten möchte, zu den schließlich geweihten Nachkommen Otto I. und Otto II., unter denen das Königtum durch Salbung und Krönung zur vollen Entfaltung gekommen sei.[13]
Zustand des Reiches bei Heinrichs Herrschaftsantritt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Heinrich trat die Königsherrschaft unter äußerst schwierigen Umständen an. Innere und äußere Bedrohungen des Reichs und eine gleichzeitig schwache karolingische Königsgewalt förderten zu Beginn des 10. Jahrhunderts deutlich das Bestreben der Großen, ihre Macht in den einzelnen regna (Herrschaftsbereich) zu verfestigen und die Führung innerhalb des „Stammes“ zu beanspruchen. In Lothringen, Schwaben und Franken wurden Adelsfehden um die regionale Führungsrolle geführt. Heinrichs Vorgänger Konrad versuchte vergeblich, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen. Er konnte seine Königsherrschaft weder in Schwaben noch in Bayern durchsetzen und blieb am Ende seiner Herrschaft ganz auf Franken beschränkt. Es gelang ihm trotz verschiedener Kriegszüge nicht, den Verlust Lothringens an Karl den Einfältigen zu verhindern. Heinrichs dringendste Aufgabe als König war es, sein Verhältnis zu den Adelsgruppen in den einzelnen Herzogtümern zu regeln und den Adel wieder mit dem Königtum zu verbinden.
Neben den Adelsfehden wurden Frieden und Stabilität im Reich durch die Ungarneinfälle erschüttert, die zu einem Verfall der Herrschaftslegitimation führten. Das karolingische Heeresaufgebot erwies sich gegen den schnell einfallenden und wieder abziehenden Feind mit seinen Bogenschützen als zu schwerfällig. Seit dem Ende des 9. Jahrhunderts bedrohten die Ungarn zunächst den Osten des Reiches. Die Einfälle dehnten sich schließlich von Italien, dem Mährerreich und der Ostmark auch nach Bayern, Schwaben, Lothringen und Sachsen aus. Die lokalen Gewalten standen den Einfällen der Ungarn bis in die 920er Jahre weitgehend machtlos gegenüber.
Heinrich musste seine Königsherrschaft mit anderen Mitteln als seine karolingischen Vorgänger ausüben. Zur administrativen Durchdringung seiner Königsherrschaft standen Heinrich die Verwaltungsmechanismen aus der Karolingerzeit nicht mehr zur Verfügung. Der Stellenwert von Schriftlichkeit, Amt und Zentralität ging zurück. Schriftlichkeit verlor als Instrument der Herrschaftspraxis und Kommunikation an Bedeutung. Der Königshof trat als Ausgangspunkt wichtiger Überlieferung zurück. Bereits unter Ludwig dem Deutschen verschwanden Kapitularien als wichtige Dokumente für die Herrschaftsorganisation aus dem Reich.[14] Die Institution der missi dominici (Königsboten), die vor Ort die Kontrollfunktion über die königlichen Amtsträgerausüben sollten, bestand nicht mehr. Die Grafenwürde, die vom König je nach Verdienst und Eignung verliehen wurde, hatte ihren königlichen Amtscharakter verloren und sich zum vererbbaren Adelsbesitz entwickelt. Dafür gewannen Akte ritueller Kommunikation an Bedeutung. Das Ergebnis dieses Strukturwandels ist eine „polyzentrische Struktur der Herrschaftsordnung“, die sich nicht mehr instrumentell vom König her deuten lässt.[15] Das Fehlen von Elementen moderner Staatlichkeit wie Gesetzgebung, Verwaltung, Ämterorganisation, Gerichtswesen und Gewaltmonopol wird von Gerd Althoff überspitzt als Übergang von der „karolingischen Staatlichkeit“ zur ottonischen „Königsherrschaft ohne Staat“ aufgefasst.[16]

Laut Widukind ist Heinrich gleich nach der Wahl zu einem Feldzug gegen Burkhard von Schwaben aufgebrochen. Obwohl Heinrich sich bei einem Ungarneinfall 919 nicht behaupten konnte, scheint sich Burkhard von Schwaben ohne Widerstand noch im selbenJahr „mit allen seinen Burgen und seinem ganzen Volk“[17] dem neuen König unterstellt zu haben. Burkhard hatte sich jedoch erst 917 eine herzogliche Stellung erkämpft und war im heimischen Adel sicherlich noch umstritten. Außerdem war Burkhardin Auseinandersetzungen mit König Rudolf von Hochburgund verwickelt. Heinrich begnügte sich mit der Vasallität des Herzogs und verzichtete auf die direkte Herrschaftsausübung in Schwaben, wobei er Burkhard die Verfügungsgewalt über den Fiskus und königliche Rechte über die Reichskirchen überließ. Allerdings wurde ihm keinesfalls gänzlich die Kirchenhoheit überlassen.[18] Bereits Ende November 920 war Burkhard auf einem Hoftag Heinrichs im hessischen Seelheim anwesend. Bis zu BurkhardsTod hat Heinrich Schwaben nicht mehr betreten.[19] Nach dem Tod Burkhards im Jahr 926 hat Heinrich mit dem Konradiner Hermann einen Landfremden als Herzog in Schwaben eingesetzt, statt den noch unmündigen Sohn Burkhards zum Herzog zu ernennen. Der neue Herzog Hermann war ohne eigene Hausmacht in seinem Zuständigkeitsgebiet viel stärker von Heinrich abhängig. Heinrich konnte dadurch die Kirchenherrschaft an sich ziehen.[20]

Schwieriger war es für Heinrich, die Anerkennung seines Königtums bei Arnulf von Bayern zu erreichen. Arnulf übte seit 918 de facto eine Art Königsgewalt in Bayern aus. Die Bemerkung des sogenannten Fragmentum de Arnulfo duce Bavariae, Heinrichhabe ein Land angegriffen, wo keiner seiner Vorfahren auch nur einen Schritt Landes besessen hätte,[21] verdeutlicht, wie befremdlich es wirkte, den Sachsen Heinrich als ostfränkischen Herrscher zu akzeptieren. Der Ablauf der Ereignisse, die zurVerständigung zwischen Arnulf und Heinrich führten, ist nur bruchstückhaft überliefert. Wohl erst nach einem zweiten Kriegszug war Arnulf zur Anerkennung von Heinrichs Königtum bereit. Arnulf öffnete die Tore Regensburgs, zog zu Heinrich hinaus, unterwarf sich ihm und wurde „Freund des Königs“ genannt. Heinrich überließ Arnulf das Recht zur Vergabe von Bistümern[22] und den Fiskus mit der bedeutenden Regensburger Pfalz. Außerdem verfügte Heinrich in seinen Urkunden nie über Güter in Bayern. Als Herzog von Bayern führte Arnulf seine Herrschaft auf die Gnade Gottes zurück und betonte dadurch seine königsgleiche Stellung.[23] In der Folgezeit nahm er einmal an einem Hoftag teil und trat viermal als Intervenient in Urkunden Heinrichs auf.[24] Doch er unterstützte Heinrich bei dessen Kriegszügen gegen Böhmen und Ungarn. Heinrich hat ihn einmal in einer Urkunde als fidelis et dilectus dux noster („unser treuer und geliebter Herzog“) bezeichnet.[25]

In Lothringen hatte Heinrich nicht die Absicht, dem westfränkischen Karolinger Karl dem Einfältigen das Königtum streitig zu machen. Doch bekam Heinrich durch innerlothringische Parteikämpfe die Möglichkeit, in die Machtkonstellation hineinzuwirken. Am 7. November 921 hatte Heinrich mit Karl dem Einfältigen auf dem Rhein ein Freundschaftsbündnis geschlossen (unanimitatis pactum et societatis amicitia), das die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Königsherrschaft und des territorialen Status quo umfasste. 922 änderte sich die Situation für Heinrich mit der Erhebung Herzog Roberts von Franzien zum Gegenkönig und gab ihm eine Gelegenheit, Lothringen in seinen Herrschaftsbereich zu ziehen. Anfang 923 wurde auch mit Robert eine amicitia vereinbart. Mit diesem Freundschaftsbündnis verletzte Heinrich das erste Abkommen, denn Robert war der Feind seines Freundes Karl. Am 15. Juni 923 überfiel Karl seinen Rivalen Robert im Lager bei Soissons. Robert fiel zwar, doch unterlag Karl im Gefecht. Karl wurde gefangengenommen und an Roberts Stelle wurde Rudolf von Burgund 923 zum Gegenkönig erhoben. Die westfränkischen Wirren, der Tod Roberts, die Ausschaltung Karls und die Erhebung Rudolfs hatten massive Auswirkungenauf die lothringische Machtkonstellation. Nach mehreren Feldzügen Heinrichs erkannte 925 der bedeutendste lothringische Große Giselbert dessen Herrschaft an. Ende 925 unterstellten sich alle Großen Lothringens der Herrschaft Heinrichs. Aus späterer Rückschau wurde Lothringen so zum fünften Herzogtum des Ostfrankenreichs. Diesen Prozess schloss die Vermählung von Heinrichs Tochter Gerberga 928/29 mit Giselbert und seine Anerkennung als Herzog (dux) ab.
In seiner Politik gegenüber den ebenfalls in karolingischen Traditionen stehenden westlichen Nachbarreichen legte Heinrich großen Wert auf den Erwerb bedeutender Reliquien, deren Überführung besonders der geistlichen Aufwertung des zukünftigen Stiftes Quedlinburg dienen sollte.[26] Heinrich trachtete nach der Heiligen Lanze, da sie als Christusreliquie anzusehen war. Gegenüber Rudolf II. soll Heinrich wegen der Heiligen Lanze sogar mit Krieg gedroht haben.[27] Neuere Forschungen haltenes für wahrscheinlich, dass Rudolf II. von Burgund die Heilige Lanze bei seinem urkundlich bezeugten Aufenthalt auf dem Wormser Hoftag im Jahr 929 übergeben habe.[28] Während der Herrschaftskrise der westfränkischen Karolinger sandte Karl der Einfältige einen Hilferuf an Heinrich und bot ihm die Hand des heiligen Dionysius an. Vom Lothringer Abt der Servatiusabtei forderte Heinrich die Überreste des Heiligen, erhielt jedoch nur dessen Stola und Stab. Der Transfer von Heiligenreliquiennach Sachsen und ins ostfränkische Reich hatte schon in der Karolingerzeit begonnen; von Heinrich wurde er erheblich gesteigert.[29]

Heinrich löste Spannungen und Konflikte mit dem Adel, indem er seine Kontrahenten zu Freunden (amici) machte. Das Verhältnis zwischen Königtum und den Herzögen von Schwaben, Franken und Bayern wurde durch Freundschaft und weitgehende Selbstständigkeit bestimmt, allerdings erst nach einem demonstrativen Akt der Unterordnung.[30] Anders als sein Vorgänger Konrad versuchte Heinrich nicht, sich die Vorrechte und Machtmittel des karolingischen Königtums anzueignen, sondern überließ diese außerhalb seines eigenen Herrschaftsbereiches den Herzögen, die in ostfränkischen regna die Führungsposition übernommen hatten. Die bestehenden Machtverhältnisse und der Herrschaftsverzicht außerhalb Sachsens wurden von Heinrich zwar anerkannt, allerdings verpflichteten sich ihm die Herzöge zu dauerhafter Unterstützung und leisteten Heeresfolge auf Kriegszügen. Die Herzöge erscheinen somit als Erste nach dem König und waren die Ranghöchsten, wenn sie am Königshof erschienen. Herzogssiegel und -urkunden sowie herzogliche Münzen belegen, dass den Herzögen auch Zeichen der königlichen Herrschaftsrepräsentation zugestanden wurden.[31]
Schwaben und Bayern blieben königsferne Regionen. Die Herzöge hatten Anteil an der Königsmacht und ersetzten dort gleichsam die königliche Präsenz. In den süddeutschen Herzogtümern scheint das karolingische Königsgut mit den herzoglichen Grundlagen verschmolzen zu sein, so dass dem König die materiellen Grundlagen zur Hofhaltung entzogen waren. Der König hatte nach der Huldigung der Herzöge diese Regionen wohl nicht mehr persönlich betreten und nie mehr dort beurkundet.[32] Von 913 bis952 ist überhaupt keine in Schwaben oder Bayern ausgestellte königliche Urkunde überliefert.[33] Doch scheint eine gleichmäßige Königspräsenz im Reich keineswegs notwendig gewesen zu sein. Unter Heinrichs Sohn Otto wurde der Großteil der Urkunden für bayerische und schwäbische Empfänger in den politischen Zentralräumen ausgestellt. „Daß der König nicht selbst nach Schwaben kam, sagt also für sich noch nichts aus über die Intensität seiner Verbindungen mit dem Herzog und den Großen desHerzogtums.“[34] Die seit 952 einsetzenden friedlichen Züge in die süddeutschen Herzogtümer galten niemals speziell den dortigen Angelegenheiten, sondern waren durch die Italienpolitik bedingt. Erst um das Jahr 1000 unter Heinrich II. werden alle Teile des Reiches vom König regelmäßig besucht.
Mit Ausnahme der Besetzung von Herzogtümern, wo Königsnähe und Königsverwandtschaft vor dem eigentlichen Erbrecht die entscheidenden Voraussetzungen waren, haben die Liudolfinger seit Heinrich die prinzipielle Erblichkeit der Grafenwürde und anderer Ämter in den Adelsherrschaften anerkannt – ein Vorgang, den die Karolinger bis zuletzt zu verhindern suchten. Diese Entwicklung griff allerdings grundlegend in die Sippen- und Familienstrukturen ein und führte unter Heinrichs Sohn Otto zu Konflikten, da sie die Ansprüche der vornehmeren und königsnäheren Männer beschnitt.[35]

Heinrich stellte sich in die Kontinuität des fränkischen Königtums und Reiches. In der Karwoche 920 besuchte er zum ersten Mal Fulda, wo sein Vorgänger Konrad begraben lag, und bestätigte die von Ludwig und Konrad verliehenen Privilegien. Heinrich ist wohl auch mit fränkischen Reichsbischöfen Amicitia-Bündnisse eingegangen. Zu den Bischöfen wurde die Gebetsverbrüderung hergestellt. Unter seiner Herrschaft hat sich im Stift Gandersheim, dem liudolfingischen Memorialort, die Anzahl der dort in Gebetsgedenken aufgenommenen Bischöfe auf fast die Hälfte aller zwischen 919 und 936 verstorbenen Reichsbischöfe erhöht.[37] 923 ließ sich Heinrich zusammen mit zehn Reichsbischöfen und mehreren Reichsäbten in das Fuldaer Diptychon eintragen. Der hohe Klerus übernahm die Gebetshilfe gegen die ungarische Bedrohung sowie für König und Reich. Nur wenige Fälle sind bekannt, bei denen Heinrich die Wiederbesetzung vakanter Bistümer verfügt hat. Mehr als für andere Herrscher in der Ottonen- und Salierzeit dürfte für Heinrich gelten, dass er auf divergierende Interessen innerhalb der Familie, der Hofkapelle und des Episkopats sowie auf verschiedene Gruppen des Adels Rücksicht zu nehmen hatte.[38] In Lothringen versuchte Heinrich durch die personelle Besetzung von Bistümern seiner Herrschaft weiteren Rückhalt zu geben. Mit der Berücksichtigung des Matfridingers Bernoin bei der Besetzung des Bischofsamtes im Bistum Verdun wurde die nach den Reginaren zweitstärkste Adelssippe geehrt und den herrschaftlichen Ambitionen Giselberts von Lothringen ein Rückschlag zugefügt. Auf den Bischofsstuhl von Metz hat Heinrich 927 mit dem Schwaben Benno einen Landfremden befördert. Doch akzeptierten die Metzer Benno nicht undmachten ihn in seinem zweiten Amtsjahr durch Blendung amtsunfähig. Weitere Investituren lassen sich in Lothringen nicht nachweisen. Der bischöfliche Königsdienst scheint zu Heinrichs Zeiten nur schwach ausgeprägt gewesen zu sein. Der König hatseinen Aufenthalt wohl eher in Pfalzen genommen und somit auf Reichsgut zur eigenen Versorgung zurückgegriffen. Als enger Vertrauter Heinrichs dürfte trotz der Salbungsablehnung der Mainzer Erzbischof Heriger gelten.[39]
Maßnahmen zur Ungarnabwehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Den einfallenden Ungarn stand Heinrich 924 und 926 machtlos gegenüber. Durch einen glücklichen Zufall gelang es jedoch, 924 einen ungarischen Fürsten gefangen zu nehmen, für dessen Freilassung sich die Ungarn auf einen neunjährigen Waffenstillstand einließen. In diesem Zeitraum mussten trotzdem Tribute an die Ungarn gezahlt werden. Auf dem Wormser Hoftag wurden im November 926 Maßnahmen zur Ungarnabwehr vereinbart, um für die militärische Auseinandersetzung nach Auslaufen des Abkommensgerüstet zu sein. Widukinds Darstellung wird durch eine ganze Reihe von Zeugnissen in Geschichtsschreibung, in Wunderberichten und Urkunden gestützt und bezeugt, dass gleichartige Bemühungen reichsweit durchgeführt wurden. Die Aktivitäten Heinrichs und der Fürsten wurden im Kloster Hersfeld auf ein decretum zurückgeführt. Den Schutz der Menschen vor Überraschungsangriffen sollte – gemäß Carl Erdmanns Forschungsbeitrag[40] – eine sogenannte „Burgenordnung“ gewährleisten. Bei diesen Burgen des 10. Jahrhunderts handelte es sich um sogenannte „Ringwallanlagen“, die ein Gebiet von bis zu 15 Hektar ringförmig umschlossen.[41] Sogenannte „Heinrichsburgen“, die – durch die Burgenordnung veranlasst – eigens neu errichtet worden wären, sind nicht nachweisbar.[42]
Feste und Versammlungen sollten nur noch in geschützten Burgen abgehalten werden. Als zweite Maßnahme wurden in Sachsen unter den „ländlichen Kriegern“ (agrarii milites) je neun zu einer Solidargruppe zusammengezogen. Einer sollte seinen Wohnsitz innerhalb der Burgen haben, damit er für die acht anderen Unterkünfte errichten und ein Drittel der Ernte verwahren könne. Die übrigen acht sollten die Güter des neunten mitbewirtschaften. Als weitere Maßnahme zur Abwehr der Ungarn erfolgte der Aufbau einer Reitertruppe.
Zu den Vorbereitungen auf den Ungarnkampf gehörte auch ein pactum (Einung) des Königs mit dem populus (Volk) über das Wohlergehen und die Fürsorge für die Kirche. Heinrich versprach, künftig auf Simonie zu verzichten.[43] Nachweislich kam es nunzu Restitutionen von Kirchengut, das zur Ausstattung der Vasallen enteignet worden war. Übergriffe auf Kirchengut waren in Zukunft einzustellen. Welche Gegenleistungen die Kirchen dafür in Aussicht stellten, ist nicht überliefert. Doch sind diese vor allem in Form von Gebeten zu erwarten, die Gottes Hilfe für den Ungarnkrieg herbeiflehen sollten.[44]
Slawenfeldzüge 928/929[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während der Zeit des Friedensabkommens mit den Ungarn führte Heinrich sein Heer in mehreren Feldzügen gegen die Slawen. Die Intensivierung militärischer Aktionen gegen die Slawen stand nach Widukind im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Ungarnkampf.[45] Das Verhältnis der Slawen zu den Sachsen war durch gegenseitige Rache- und Beutezüge geprägt. Von den Sachsen sind keine Bestrebungen überliefert, die heidnischen Stämme der Slawen in das ostfränkische Reich einzugliedern und zum christlichen Glauben zu zwingen.[46] Als erste Maßnahme griff Heinrich die Heveller an. Das militärische Unternehmen wurde mit dem Winterfeldzug 928/29 und der Eroberung des Hauptortes Brennaborg/Brandenburg abgeschlossen. Anschließend griff Heinrichdie Daleminzier an. Bei der Eroberung eines ihrer Hauptorte – der Burg Gana – wurden alle Erwachsenen umgebracht und die Kinder versklavt. Heinrichs ausgesprochene Härte gegen Fremde (extranei) wird von Widukind der Milde gegen innere Rebellengegenübergestellt.[47] Möglicherweise sollte das Daleminzierland als Ausgangsbasis für die Ungarnzüge schon im Vorfeld geschwächt werden.[48] Heinrich soll es dabei auch um den Schutz seiner Hausgüter in Merseburg gegangen sein.[49] Im Anschlusszog Heinrich mit Unterstützung des bayerischen Herzogs Arnulf in Richtung Böhmen weiter. Herzog Wenzel, der sich nach Prag zurückgezogen hatte, unterwarf sich ohne größere Gegenwehr und verpflichtete sich zu regelmäßigen Tributzahlungen. Wenzelwurde am 28. September 935 von seinem Bruder Boleslaw ermordet. Erst unter Heinrichs Sohn Otto gelang es im Sommer 950, Boleslaw zur Unterwerfung und Heeresfolge zu zwingen.
Heinrichs militärische Aktionen brachten Abodriten, Wilzen, Heveller, Daleminzier, Böhmen und Redarier in tributpflichtige Abhängigkeit. Auf die kriegerischen Ausgriffe der Sachsen antworteten die Slawen mit einem Vergeltungsschlag, indem sie die Burg Walsleben angriffen und alle Bewohner der Burg töteten. Der als Reaktion folgende Kriegszug gegen die Slawen führte am 4. September 929 bei Lenzen unter der Führung der sächsischen Grafen Bernhard und Thietmar zu einer verlustreichen Niederlage der Redarier. Alle Gefangenen wurden dabei getötet. Im Jahr 932 wurden die Lausitzer und Milzener und 934 die Ukranen tributpflichtig gemacht.
Unklar ist allerdings, ob Heinrich ein Gesamtkonzept für seine Politik gegenüber den Elbslawen entwickelt hatte, das über bloße Tributherrschaft hinausging.[50] Eine direkte, organisierte Herrschaft haben die Ottonen gegenüber den Elbslawen nicht errichtet. Die militärischen Züge über die Elbe dienten zur Verteidigung der sächsisch-thüringischen Ostgrenze und waren eine sächsische Angelegenheit. Nie wurde dabei im 10. Jahrhundert ein Reichsheer aufgeboten. Die Beziehungen werden in denQuellen einerseits durch Repressalien und Vergeltungszüge von abschreckender Grausamkeit, andererseits aber durch Verhandlungen und Beziehungen von eher nachbarschaftlichem Charakter dargestellt.[51] Nach Wolfgang Giese sollten die unterworfenen Slawengebiete auf Dauer Heinrichs herrschaftspolitischer Erfassung unterstellt werden. Im ostfränkischen Reich gab es für Heinrich nur wenige Möglichkeiten, das Ehr- und Besitzstreben des Adels zu stillen. Jenseits von Elbe und Saale bot sichdem Adel ein weites Betätigungsfeld: Kriege mussten geführt, Beute konnte gemacht werden, lukrative Ämterpositionen waren zu vergeben, und dem Erwerb von Grund und Boden waren kaum Grenzen gesetzt.[52]
Durch die Einrichtung von „Marken“, über die jeweils einzelne sächsische Große wachten, wurde die Kontrolle der slawischen Völker geregelt. Zur Überwachung und militärischen Sicherung des Umlandes wurde die Burg Meißen gegründet. Vor den Mauerndes Grenzortes Merseburg siedelte Heinrich mit der Merseburger Schar (legio Mesaburionum) einen militärischen Verband aus Kriegern an, die wegen Raubes oder Totschlags aus ihrer Heimat verbannt waren. Ihnen wurde wegen ihrer Körperkraft und Kriegstauglichkeit ihre Strafe erlassen. Sie sollten von Merseburg aus bei Repressalien im Slawenland eingesetzt werden.[53]

Anfang der 930er Jahre mehren sich Einträge adeliger Gruppen in die Gedenkbücher großer Klöster, wie St. Gallen, Reichenau, Remiremont oder Fulda. Die Gebetsverbrüderungen förderten das Einheitsgefühl und die Friedenswahrung unter den adeligen Angehörigen des Reichs. Die zugleich eintretende Intensivierung des klösterlichen Gebetsdienstes galt aber auch einer moralischen Vorbereitung auf den Krieg.[54] Nach den jahrelangen Vorbereitungen verweigerte Heinrich den ungarischen Gesandten wohl 932 die Tribute. Anfang März 933 erschienen die Ungarn an den Grenzen Sachsens und Thüringens. Den Beginn der Schlacht hatte Heinrich auf den Tag des Heiligen Longinus gelegt. Damit wollte er offensichtlich die siegbringende Kraft der kurz zuvor erworbenen und dem Longinus zugewiesenen Heiligen Lanze in den Mittelpunkt der Bitte um himmlischen Beistand stellen.[55] Am 15. März 933 schlug Heinrichs Heer die Ungarn in der Schlacht bei Riade, einem nicht sicher identifizierten Ort, wohl an der Unstrut. An der Schlacht sollen nach Meinung des Großteils der Forschung alle Völker (gentes) des ostfränkischen Reiches beteiligt gewesen sein, also etwa Bayern, Schwaben, Franken, Lothringer, Sachsen und Thüringer.[56] Die Angabe desChronisten Flodoard von Reims aber, 36.000 Ungarn hätten in der Schlacht ihr Leben gelassen, gilt in der Forschung als wenig glaubwürdig.[57]
Besonders an Heinrichs Schlachtensieg akzentuiert Widukind die Gottunmittelbarkeit des Königs. Nach dem Sieg soll das Heer Heinrich als „Vater des Vaterlandes und Imperator“ gepriesen haben.[58] Heinrich erscheint durch den Sieg als der von Gottbestätigte Herr des Reiches und Beschützer der Christenheit. Die Bedeutung des Sieges verdeutlichen Dankgottesdienste und der vielleicht vom König selbst angeordnete Eintrag zum 15. März in liturgischen Handschriften: „König Heinrich, der die Ungarn schlug“. Den Sieg über die Ungarn ließ Heinrich auf einem Wandgemälde im Thronsaal der Merseburger Pfalz verewigen. Nach dem Tod Heinrichs wenige Jahre später fiel Merseburg jedoch an seinen Sohn Heinrich und war folglich mitsamt dem Gemälde der Herrschaftsrepräsentation entzogen.

Nach der politischen und militärischen Konsolidierung seines Herrschaftsgebiets versuchte Heinrich, seine Nachfolge zu regeln. Heinrich hatte, neben Thankmar aus seiner ersten Ehe mit Hatheburg, mit seiner zweiten Gemahlin Mathilde die Söhne Otto, Heinrich und Brun sowie die Töchter Gerberga und Hadwig.[59] In einer 929 ausgestellten Urkunde für seine Gemahlin werden die Grundzüge seiner Nachfolgepolitik erkennbar. Am 16. September 929 garantierte Heinrich auf einem Hoftag in Quedlinburg seiner Gemahlin Mathilde mit Zustimmung der Großen und seines Sohnes umfangreiche Besitzungen in Quedlinburg, Pöhlde, Nordhausen, Grone und Duderstadt als ihr Wittum. Der vom König formulierte Urkundentext (D HI, 20) lautete, „haben wir es für passend gehalten, auch über unser Haus mit Gottes Beistand in geordneter Weise Vorsorge zu treffen.“ ([…] placuit etiam nobis domum nostram deo opitulante ordinaliter disponere.) Karl Schmid leitete aus dem Urkundentext eine in der Forschung vieldiskutierte „Hausordnung“ ab. Schmid deutete alle erkennbaren Maßnahmen des Jahres 929 als zusammengehörige Teile eines systematischen Ganzen, an dessen Gipfelpunkt Otto als Nachfolger in der Königsherrschaft 929 offiziell designiert wurde.
Angesichts einer Fülle von Indizien wird deutlich, dass sich die Thronfolge Ottos des Großen schon lange vor dem Tod Heinrichs angebahnt hatte. Dies war keineswegs selbstverständlich, denn karolingische Praxis war es, das Reich unter den legitimen Söhnen aufzuteilen. Mit der Abkehr von dieser Praxis war die Individualsukzession begründet, die Unteilbarkeit des Königtums und des Reiches, die auch Heinrichs Nachfolger beibehalten sollten. Als Zeichen der Stärke der Königsherrschaft wirdman diese Maßnahme jedoch nicht sehen können. Heinrich war vielmehr gezwungen, auf die duces Rücksicht zu nehmen: Er konnte das Reich nicht mehr teilen.[60]
Otto erscheint bereits 929/930 in den Geschichtswerken als rex (König) und damit als alleiniger Erbe des Königstitels. 929 wurde Heinrichs jüngster Sohn Brun für eine geistliche Laufbahn dem Bischof Balderich von Utrecht zur Erziehung übergeben.Zu diesem Zeitpunkt fanden wohl auch Verhandlungen mit dem englischen Königshaus statt. Der englische König Aethelstan, der mit dem heiligen König Oswald einen Vorfahren hatte, der im Kampf gegen die Heiden gefallen war und zu den christlichenMärtyrern zählte, schickte seine Schwestern Edgith und Edgiva als mögliche Gemahlinnen Ottos nach Sachsen, wollte die Entscheidung aber Otto überlassen. Heinrichs Bemühen um eine Anbindung seines Hauses an Dynastien außerhalb seines Reiches warim ostfränkischen Reich unüblich gewesen. Neben der zusätzlichen Legitimation durch die Verbindung mit einem anderen Herrscherhaus drückte sich darin auch eine Stärkung des Sachsentums aus, da sich die englischen Herrscher auf die im 5. Jahrhundert auf die Insel ausgewanderten Sachsen beriefen.
Eine Personenliste im Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau, die nach der Verheiratung von Ottos Schwester Gerberga (929) und vor Ottos Hochzeit mit der angelsächsischen Königstochter Edgith (929/930) entstand, führt Otto genau wie seinen Vaterals rex (König). Keiner der übrigen Verwandten, kein weiterer Sohn führte diesen Titel.[61] Die Erschließung des Eintrages in den 1960er Jahren durch Karl Schmid belegt, dass in 929/930 wohl offizielle Festlegungen hinsichtlich der Nachfolgefrage getroffen wurden. Offenbar sollte nur einer der Söhne, der älteste, künftig die Königswürde innehaben.
Die besondere Bedeutung der Vorgänge wird auch am Itinerar des Königs deutlich. Es greift weiter aus als bisher und berührt alle Teile der Francia et Saxonia („Franken und Sachsen“). Nach der Hochzeit Ottos mit Edgith im Jahr 930 stellte Heinrich den designierten Thronfolger in Franken und in Aachen den Großen der jeweiligen Region vor, um deren Zustimmung für die Thronfolgeregelung einzuholen. Es fehlt jedoch jeder Beleg einer herrscherlichen Tätigkeit in den Jahren 930 bis zu Ottos Herrschaftsantritt 936.[62]
Letzte Jahre und Quedlinburg als Memorialort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stiftskirche Quedlinburg
Im Jahr 934 konnte Heinrich durch einen Angriff den Dänenkönig Knut, der bis Haithabu beim heutigen Schleswig herrschte, zur Unterwerfung, Tributzahlung und auch zur Annahme des christlichen Glaubens bewegen. Gegen Ende seines Lebens soll Heinrich – nach Widukind – einen Romzug geplant haben, den jedoch eine Krankheit vereitelt habe.[63] In Ivois am Chiers an der Grenze des westfränkischen und ostfränkischen Reiches fand 935 ein Dreikönigstreffen statt. Heinrich bekräftigte und erneuerte dort Freundschaftsbündnisse mit dem burgundischen König Rudolf II. und dem westfränkischen König Rudolf. Gegen Ende des Jahres 935 erlitt Heinrich auf der Jagd im Harz wohl einen Schlaganfall. Doch er erholte sich noch so weit, dass er einenHoftag einberufen konnte. Im Frühsommer 936 wurde in Erfurt über den Zustand des Reiches beraten (de statu regni). Heinrich empfahl den Großen nochmals eindringlich Otto als seinen Nachfolger. Nach der Designation Ottos hat Heinrich seine übrigen Söhne mit Landbesitz und Wertgegenständen (praedia cum thesauris) abgefunden.[64] Von Erfurt begab sich Heinrich nach Memleben. Dort erlitt er erneut einen Schlaganfall und starb am 2. Juli 936. Heinrichs Leichnam wurde in Quedlinburg bestattet. Mathilde überlebte Heinrich um mehr als dreißig Jahre und fand an seiner Seite ihre Ruhestätte. Nach neuen bauhistorischen Erkenntnissen lag Heinrich mit seiner Gemahlin Mathilde mindestens bis zum Jahre 1018 am ursprünglichen Bestattungsort.Sein weiterer Verbleib ist unbekannt.[65]
Mit Quedlinburg hatte sich Heinrich einen eigenen Memorialort geschaffen, obwohl die Memoria der liudolfingischen Familie zuvor in Gandersheim gepflegt worden war. Babette Ludowici schließt aus Adelsgräbern des 5. Jahrhunderts, dass Quedlinburg„in der Zeit um 900 ein für die Elite Ostsachsens seit Generationen mit Bedeutung aufgeladener Platz war“. Heinrich habe daher diesen Ort für seine Inszenierung als König und für sein Verhältnis zu den (ost-)sächsischen Adelsgeschlechtern genutzt.[66] Heinrichs Beziehungen zu diesem Ort lassen sich seit dem Osterfest 922 nachweisen. Es ist zugleich die älteste bekannte schriftliche Erwähnung des Ortes.[67] Von vier lokalisierbaren Osterfeiern lassen sich drei mit Quedlinburg in Verbindung bringen. Damit versuchte er, eine Tradition zu begründen, die seine ottonischen Nachfolger bis Heinrich II. fortsetzten.[68]

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Titel Martins neu Stand Jan 2017
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Hochgeladen 2020-05-03 14:50:48.0
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