Notizen zu dieser Person
Brautschau:
Treffpunkt und Stätte der Begegnung, auch des Kennenlernens war um 1900 u. a. die Kirche. Hier trafen sich jeden Sonn- und Feiertag die deutschstämmigen Familien zum Gottesdienst. Es war in Rypin alter Brauch, dass die Konfirmation am Himmelfahrtstag stattfand. Zu dieser Konfirmation kamen viele Mädchen und Knaben aus mehreren Kantoraten der ganzen Umgebung und versammeltensich alle vor des Pfarrers Haus, die Mädchen in weißen Kleidern, die Jungen in dunkelblauen oder schwarzen Anzügen und langen Hosen (bis dahin trugen sie kurze Hosen). Es wurde sich paarweise aufgestellt und dann auf der Straße zur Kirche marschiert, vorne weg der Pastor gefolgt vom Posaunenchor.
Karl Erdmann besuchte einen solchen Konfirmationsgottesdienst. Dabei fiel ihm eine schlanke, hübsche Konfirmandin mit langen und blonden Zöpfen auf. Da sie ihm besonders gefiel, sagte er sich, das wird einmal meine Frau. So wartete er, bis sie das 18. Lebensjahr erreicht hatte, um dann um ihre Hand anzuhalten. Wenn er später von dieser Begebenheit und der Rückbesinnung erzählte, bekam er immer ein ganz verklärtes Lächeln im Gesicht.
Sein Vater war Müller und besaß eine Windmühle mit Grundstück, was er einmal erben, aber dafür dem Vater 300 Rubel auszahlen sollte, zu der Zeit viel Geld. Er selbst hatte auch den Beruf des Müllers erlernt, zu der Zeit ein sehr geschätzter und gewinnbringender Beruf. Im Laufe der Jahre hatte er eine beträchtliche Summe Geldes auf die hohe Kante gelegt.
Der Vater der Braut, Johann Schrul, war Großbauer und wollte, dass seine Tochter einmal ebenfalls einen Bauern heiratet. Daher sagte er zum Bräutigam, wenn ihr wollt dann heiratet, aber von mir erhält sie keinen "Poßak" (Aussteuer/Mitgift). Also nahm Karl Kirste seine 300 Rubel von seinem Ersparten und händigte sie seinem Vater aus und sagte, es wäre die Mitgift vom Brautvater. So habe ich mir meine Frau praktisch gekauft, zuzahlen müssen, statt Poßak zu bekommen, scherzte er immer.
Karl und Auguste kauften um 1900 einen Großteil der Ländereien des Gutes (Vorwerk) Dzierzno, das wie über die Hälfte der Güter dieses Gebietes parzelliert worden war. Grund für die Aufteilung der polnischen Güter an deutsche Siedler war "nicht etwa auf gefühlsmäßige Liebe der polnischen Großgrundbesitzer zu den Deutschen zurückzuführen, sondern einzig und allein in der großen Verschuldung und dem wirtschaftlichen Niedergang des polnischen Großgrundbesitzes jener Zeit zu suchen", sowie dem Umstand, dass sich einfach keine polnischen Käufer fanden, die die Schuldenlasten beim Kauf auf sich nehmen wollten.