Marianne VAN GANGELT (JUNG)

Marianne VAN GANGELT (JUNG)

Eigenschaften

Art Wert Datum Ort Quellenangaben
Name Marianne VAN GANGELT (JUNG)
Beruf Tänzerin, Gitarristin, Sängerin

Ereignisse

Art Datum Ort Quellenangaben
Geburt 20. November 1784 Linz a.d. Donau, Österreich nach diesem Ort suchen
Bestattung Frankfurt am Main, Hessen nach diesem Ort suchen
Tod 6. Dezember 1860 Frankfurt am Main, Hessen nach diesem Ort suchen
Heirat 27. September 1814 Frankfurt am Main, Hessen nach diesem Ort suchen

Ehepartner und Kinder

Heirat Ehepartner Kinder
27. September 1814
Frankfurt am Main, Hessen
Johann Jacob VON WILLEMER

Notizen zu dieser Person

Marianne von Willemer (* 20. November 1784 in Linz (?); ? 6. Dezember1860 in Frankfurt am Main; gebürtig wahrscheinlich als Marianne Pirngruber; auch: Marianne Jung) war eine aus Österreich stammende Schauspielerin und Tänzerin. Im Alter von 14 Jahren siedelte sie nach Frankfurtam Main über, wo sie die dritte Frau des Frankfurter Bankiers JohannJakob von Willemer wurde. Diesem freundschaftlich verbunden, begegneteJohann Wolfgang von Goethe auch Marianne in den Jahren 1814 und 1815und verewigte sie im ?Buch Suleika? seines Spätwerks ?West-östlicher Divan?. Unter den zahlreichen Musen Goethes war Marianne die einzige Mitautorin eines seiner Werke, denn der ?Divan? enthält auch ? wie erstpostum bekannt wurde ?Herkunft und Kindheit [Bearbeiten] Marianne war die Tochter der Schauspielerin Elisabeth Pirngruber. Diese war eines von zwölf Kindern eines Gutsverwalters und wuchs in Oberösterreich auf. Mit 23 Jahren gebar sie ein uneheliches Kind. Über den leiblichen Vater sowie den Geburtsort Mariannes gibt es unterschiedliche Annahmen, die bis heute nicht belegt werden konnten. Nach eigenen Angaben war sie am 20. November 1784 in Linz zur Welt gekommen und wurdeauf die Namen Maria Anna Katharina Theresia getauft; ein entsprechender Eintrag in Linzer Taufregistern ist aber bis heute nicht aufzufinden. Hingegen fand man das Heiratsdokument ihrer Mutter im Kirchenbuch derDomkirche von St. Pölten: Nicht ein Instrumentenbauer namens MatthiasJung, den Marianne selbst als Vater angab, sondern der Theaterleiter Joseph M. Georg Jung und Elisabeth Pirngruber waren am 31. März 1788 kirchlich getraut worden. Von diesem Zeitpunkt an erhielt die damals Vierjährige den Namen Marianne Jung, wohl um die uneheliche Geburt zu kaschieren. Um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, zog die Mutter Elisabeth Pirngruber nach Wien, wo sie auf Vorstadtbühnen auftrat. Vier ihrer inWien lebenden Geschwister kümmerten sich um die kleine Marianne. Sie entwickelte sich zu einem lebhaften und lernfähigen Kind und erhielt privaten Unterricht durch einen Pfarrer. Marianne erhielt auch früh Schauspiel- und Ballettunterricht und stand bereits als Achtjährige auf der Bühne, ein Jahr später stand sie auf einem Programmzettel eines Pressburger Theaters. Als die Mutter, deren Gatte 1796 in Pressburg gestorben war, in Wien keine Engagements mehr erhielt, folgte sie 1798 gemeinsam mit ihrer Tochter einem befreundeten Tänzerehepaar namens Traub nach Frankfurt am Main. Das Einkommen der mittlerweile 38-jährigen und ihrer Tochter mussgering gewesen sein, so dass Elisabeth Jung nebenbei Handarbeiten ausführte, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Aussicht auf ein Engagement im fernen Frankfurt sah sie als Chance, ihrer Notlage ein Endezu bereiten. Doch die Mutter erhielt nur eine Stelle als Theaterdienerin. Marianneselbst dagegen stand am 26. Dezember 1798 erstmals auf dem FrankfurterTheaterzettel. Die Vierzehnjährige übernahm Rollen in Opern (Der Spiegelritter), Singspielen (Der kleine Matrose) und Ballettaufführungen (Die geraubte Braut). Ihre frühen Auftritte sorgten für Aufsehen, und sie wurde schon bald in Theaterkritiken erwähnt. So schrieb die ?Schauspielkunde? im Mai 1799: ?Demoiselle Jung muß eine gute Lehrmeisterin gehabt haben und macht ihrer Lehrmeisterin auch keine Schande.? Als sie im Frühjahr des Jahres 1800 im Ballett ?Harlekin aus dem Ei? einen großen Erfolg feierte, saß unter den Zuschauern neben Catharina Elisabeth Goethe, der Mutter des Dichters, Clemens Brentano, der sich nach eigenen Angaben spontan in die junge Darstellerin verliebte. Er schrieb ihr dreißig Jahre später: Der Harlekin im Ei, / Den einstens ich gekannt, / Bis er mir ging entzwei, / Der ist gar nicht verwandt / Mit diesem Demoisellchen ... / Nein, was ich Hand in Hand / Mit dir, Lieb Herz, empfand, / Versteht sichnicht am Rand! Von der «lieben Kleinen» zum «Großmütterchen» Einen größeren Gegensatz als den zwischen Bettine von Arnim, Goethes «leidiger Bremse», und Marianne von Willemer, Goethes vornehmzurückhaltender Suleika, kann man sich kaum denken. Hatte der Kontrast zwischenGoethes «verehrter Freundin» Charlotte von Stein und seinem «kleinen Naturwesen» Christiane Vulpius insbesondere im Gegensatz von kühler Distanz und menschlicher Wärme, von feiner Bildung und unverbildeter Ursprünglichkeit gelegen, so unterscheiden sich Bettine von Arnim und Marianne von Willemer vor allem in ihrem so gänzlich konträren Verhältniszu Goethe. Zudringlich hatte Bettine den Kontakt zu dem berühmten Dichter gesucht, ihn mit Geschenken überwältigt, mit leidenschaftlichen Briefen bedrängt und ihre Rolle in Goethes Leben größer und wichtiger zu machen gesucht, als es den Tatsachen entsprach. Ihr Buch «Goethes Briefwechsel mit einem Kinde» legt davon noch drei Jahre nach Goethes Tod Zeugnis ab, stellt es doch in seiner monumentalisierenden Überhöhung des Dichters nicht nur ein Beispiel der Goethe-Rezeption dar, sondern auch den Versuch, eine verklärende Bettine-Rezeption in die Wege zu leiten - Bettine als Psyche, als Mignon, als . Ganz anders Marianne, die übrigens zu Bettine - die Frankfurter Familien Willemer und Brentano waren gut bekannt miteinander - bezeichnenderweise zeit ihres Lebens kein herzliches Verhältnis entwickeln konnte.Eher zufällig hatte sich während Goethes Besuch in seiner Heimat im Sommer 1814 die Bekanntschaft mit Marianne von Willemer ergeben - auch zwischen den Familien Goethe und Willemer existierten alte Bande -, unddaß diese Bekanntschaft des alternden Dichters zu der jungen Mariannesich im Sommer des folgenden Jahres zu einer tiefen Zuneigung steigerte, die ihren literarischen Niederschlag im poetischen Wechselgesang zwischen Hatem und Suleika fand, blieb Mariannes treu bewahrtes und fast bis zu ihrem Tod sorgsam gehütetes Geheimnis. Erst im Jahre 1849 - Marianne lebte damals als vierundsechzigjährige Witwe allein in einer kleinen, aus zwei Zimmern bestehenden Wohnung inder Frankfurter Alten Mainzer Gasse - begann sie allmählich, dieses Geheimnis Schritt für Schritt preiszugeben: ihre Liebe zu Goethe und ihren dichterischen Anteil an den Liedern des «West-östlichen Divan». Derjunge Mann, dem sie sich, zögernd zunächst, öffnete, war Herman Grimm, Sohn von Wilhelm, Neffe von Jacob Grimm und bald Schwiegersohn der Bettine von Arnim. Er hatte als einundzwanzigjähriger Student Kontakt zu Marianne gesucht, gewann bald ihr Vertrauen und erwies sich dieses Vertrauens als würdig. Erst neun Jahre nach Mariannes Tod am 6. Dezember 1860, in einem Aufsatz, der 1869 in den «Preußischen Jahrbüchern» erschien, enthüllte er,was sie ihm anvertraut hatte: daß einige von Goethes Gedichten in Wahrheit aus der Feder einer bis dahin fast völlig unbekannten jungen Komödiantin stammten. Auch Mariannes Korrespondenz mit Goethe wurde, ihrem letzten Willen gemäß, erst lange nach ihrem Tod veröffentlicht - in ihren letzten Lebensjahren hatte sie diese Briefe, ausgebreitet in einem gläsernen Kasten, «offenbar und doch geheimnisvoll und unnahbar» in ihrer Wohnung aufbewahrt. So blieb ihr zu Lebzeiten ein Kult um ihre Person und die Zudringlichkeit berufener und unberufener Goethe-Forscher erspart, wie siees sich gewünscht hatte, aber mit ins Grab nehmen wollte sie ihr Geheimnis, ihren dichterischen Anteil an Goethes «Divan» nicht. Im Jahre 1798 war sie nach Frankfurt gekommen, als vierzehnjähriges Mitglied einer Komödiantentruppe, und damit in sozial anrüchigem Milieubeheimatet. Über ihre Kindheit ist kaum etwas bekannt, weder ihr Geburtsort noch ihr Geburtsdatum sind mit Sicherheit bezeugt, aber es spricht vieles dafür, daß sie am 20. November 1784 im österreichischen Linzan der Donau zur Welt kam. Ihre Auftritte in Frankfurt stießen auf wohlgefällige Aufnahme - unter den Zuschauern, die Marianne als Harlekinaus dem Ei schlüpfen sahen, sollen unter anderen Goethes Mutter und der junge Clemens Brentano gewesen sein -, und auch ein Mitglied der Theaterkommission, der Geheimrat Johann Jakob von Willemer, sah Marianneund beschloß kurzerhand, sie aus dem anrüchigen Milieu zu entfernen und als Pflegetochter in seine Familie aufzunehmen. Dieser Johann Jakob von Willemer war ein problematischer Charakter. Bereits zweimal verwitwet, vom Leben frustriert und vielfach enttäuscht,gibt er in einem Brief an Goethe, der vom 11. Dezember 1808 datiert ist, folgendes trübsinnige Selbstporträt: « Ich bin ohne Erziehung aufgewachsen und habe nichts gelernt. Arm geboren und daher nach Frankfurter Manier von jedem über die Achsel angesehen (und das schlägt tiefe Furchen in einem zarten Gemüt, weckt des Lebens Qual, einen grenzenlosen Ehrgeiz), mußt ich alles, was ich besitze, mir selbst verdienen, darüber verstrich der schönste Teil meines Lebens, und ich konnte mich mit nichts befassen als mit Gelderwerb, nach nichts streben als nach Schein-Ehre.» Da ein gewisser Geltungstrieb ihm eigen war, gab er oft und gern für Schauspieler und Schauspielerinnen (mit besonderer Vorliebe für letztere) großartige Soupers und hatte sich damit den zwielichtigen Ruf verschafft, für seine Großzügigkeit auch Gegenleistungen zu verlangen. Alser im Jahre 1800 die junge Marianne in sein Haus aufnahm, setzte er daher auch diese der Nachrede aus, die einer sozialen Ächtung gleichkam. Aus erster Ehe hatte Willemer vier Töchter, deren älteste, Rosine (genannt Rosette) bereits verheiratet war, nur die drei jüngeren lebten noch im Haus; aus der zweiten Ehe war ihm sein einziger und geliebter Sohn Abraham (genannt Bramy) geblieben, dessen Verhältnis zum Vater, derin ihn all die Hoffnungen setzte, deren Erfüllung ihm selbst versagtgeblieben war, jedoch kompliziert war. Im Jahre 1802 kehrte auch Rosette, zwanzigjährig zur Witwe geworden, ins Vaterhaus zurück und schloßsich in herzlicher und neidloser Freundschaft der um zwei Jahre jüngeren Marianne an. Man braucht nicht zu betonen, daß die Stellung Mariannes in WillemersHaus schief angesehen wurde - nicht von der Familie, sehr wohl aber inder Öffentlichkeit. Erst am 27. September 1814 vollzog Willemer den längst erwarteten Schritt und machte Marianne zu seiner Ehefrau und zur seiner fünf Kinder, darunter der um zwei Jahre älterenRosette. In den vierzehn Jahren von 1800 bis 1814 hatte Mariannes Lageeine fatale Ähnlichkeit mit der schwierigen Position der Christiane Vulpius in den achtzehn Jahren ihrer Lebensgemeinschaft mit Goethe von1788 bis 1806, und Christiane wird mit einigem Verständnis die Nachricht zur Kenntnis genommen haben, die Goethe ihr am 12. Oktober 1814 zukommen ließ: «Abend zu Frau Geheimerätin Willemer: denn dieser unser würdiger Freund ist nunmehr in forma verheiratet.» Kurz vorher hatte Goethe die Willemers in Frankfurt besucht und war von dort aus zu den Brüdern Boisseree nach Heidelberg abgereist, um deren Sammlung mittelalterlicher Gemälde kennenzulernen. Während dieses Abstechers fand die Hochzeit statt, und bald darauf konnte Goethe gemeinsam mit dem frischgebackenen Ehepaar Willemer von Frankfurt aus am 18. Oktober die Freudenfeuer zum ersten Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig bewundern. Zu einer innigen Neigung zwar scheint es zwischen Marianne und Goethenoch nicht gekommen zu sein, sehr wohl aber zu einem wechselseitigen Vertrauen. Goethe nennt Marianne seine «liebe Kleine», und diese dichtet ihm, in Anspielung auf die von Goethe verwendete Redewendung, etwassei ihm «so lang wie breit», die munteren Verse: Zu den Kleinen zähl ich mich, Liebe Kleine nennst Du mich. Willst Du immer so mich heißen, Werd ich stets mich glücklich preisen, Bleibe gern mein Leben lang Lang wie breit und breit wie lang Und ihr Ehemann Willemer sekundiert in einem Brief an Goethe vom Dezember 1814 großherzig: «Meine Frau, die sich, so wie ich, Ihrer Gemahlinund dem klugen August empfiehlt, will, seitdem sie von Ihnen die Kleine genannt worden, durchaus nicht mehr wachsen, es wäre denn in IhremHerzen.» Diese großmütige Bereitschaft, Goethes Verhältnis zu Marianne zu tolerieren, ja sogar nach Kräften zu fördern, behält Willemer auch im nächsten Jahr bei, als Goethes Neigung zu Marianne während seiner zweiten Reise in die Heimat sich zur Leidenschaft steigert, und auch in den folgenden Jahren, in denen Marianne häufig kränkelt und ihre Sehnsucht sie in schwere gesundheitliche und seelische Krisen stürzt. Nach dem Tod von Goethes Frau Christiane 1816 offeriert er Goethe sogar, ihn ganz bei sich in Frankfurt aufzunehmen - wie er sich allerdingseine solche Menage a trois vorgestellt hat, bleibt sein Geheimnis. Freilich war diese Großzügigkeit nicht allein Willemers gutem Herzen zu verdanken, sondern auch ein Produkt seiner Geltungssucht. Oft scheint seine Einmischung in die von beidseitiger Zurückhaltung und Verhaltenheit geprägte Neigung zwischen Goethe und Marianne gewaltsam und aufdringlich, denn daß der berühmteste Dichter der Nation seine Frau liebt, scheint ihn auch hoffen zu lassen, daß davon ein wenig Glanz auf ihnselbst falle. Es ist heute schwer nachzuvollziehen, was sich in jenem denkwürdigen Sommer 1815 zwischen Goethe und Marianne abgespielt hat. Die überlieferten dürren Daten helfen hierbei ebensowenig wie Goethes lakonische Tagebucheintragungen. Es ist gewiß, daß Goethe vom 12. August bis zum 17.September bei Willemers wohnte, sowohl auf der Gerbermühle als auch im Haus «Zum Roten Männchen», der Stadtwohnung der Willemers. Am 18. September brach Goethe mit Sulpiz Boisseree wiederum nach Heidelberg auf, und am 23. September reiste Marianne, gemeinsam mit ihrem Ehemann und der Rosette, ihm nach. Zusammen erkundete man Heidelberg und lustwandelte im Schloßgarten, und der poetische Zauber der Schloßruine mag neben dem gemeinsamen Dichten ein übriges getan haben, die wechselseitige Verbundenheit zu steigern. Der Abschied am Abend des 25. September jedenfalls fiel schwer (Marianne wußte freilich noch nicht, daß er endgültig sein sollte), und von jetzt an hoffte Marianne gemeinsam mit ihrem Mann alljährlich auf ein Wiederkommen Goethes. Als im folgenden Jahr, am 6. Juni 1816 Goethes Frau Christiane stirbt, scheint einem Besuch Goethes erst recht nichts mehr im Wege zu stehen - so jedenfalls denken Willemers, aber Goethe denkt anders. Zwar verläßt er am 20. Juli Weimar zu seiner dritten Rhein- und Mainreise, aber kurz hinter der Stadt bricht die Achse des Reisewagens, und Goethes Begleiter Johann Heinrich Meyer wird geringfügig am Kopf verletzt. Für den abergläubischen Dichter ist dieser unbedeutende Unfall, den er den ihn sehnsüchtig erwartenden Freunden in Frankfurt in dürren Worten mitteilt, Grund genug, die geplante Reise ganz aufzugeben - er wird nie mehr in seine Heimat fahren. Marianne von Willemer war enttäuscht, aber sie bedrängte Goethe nichtmit ihrer Trauer, sondern verschob die Hoffnung auf ein Wiedersehen inihrem Herzen auf das kommende Jahr. Zu Weihnachten erfreut sie Goethemit neuen Pantoffeln und sendet ihm auch sonst allerlei Kostbarkeiten(kulinarische insbesondere) aus der Heimat. Goethe bittet um Wein, etwa um den offenbar besonders guten Jahrgang 1811, und nennt voll Humordie aus zwölf Flaschen bestehende Weinsendung «die zwölf Apostel» unddie erneute Lieferung «das Reservebataillon». Auch bittet er um Artischocken, Honig oder Süßigkeiten, und Marianne erfüllt solche Aufträgemit großer Freude. Daß Goethe auch im kommenden Sommer 1817 nicht nachFrankfurt reist - «Nun singen aber sämtliche unbarmherzige Ärzte ihrentscheidendes Prophetenlied: daß in den böhmischen Gebirgen für diesmal allein Heil zu finden sei!», teilt er Willemers im Juli aus Jena mit -, führt zu einer herben Enttäuschung Mariannes. Zwar schreibt sie am 2. Oktober, scheinbar gefaßt, an Goethe: Einige Zeilen von Ihrer Hand werden sehr erquicklich sein, auch wenn sie die Luftschlösser zerstören, die Willemer baut und ich möbliere, aber der Winter 1817/18 stürzt sie in eine schwere Krise. Im Februar 1818 schreibt Willemer an Goethe: « Ihrem Scharfblick, teurer Freund, wird es nicht entgehen, daß unsere gute Marianne kränkelt, daß sie leidet, und es nicht mehr ist, wie es war! Die frischen Blüten unbefangenerJugend sind entflohen und haben ein verwundetes Herz zurückgelassen»,und fügt mit einiger Bitternis - Goethe hat seit dem 19. Oktober 1817geschwiegen! - hinzu: «Doch ich weiß nicht, ob den Meister das alles noch interessiert.» Als im Juli 1818 Willemers inniggeliebter Sohn Bramy in einem Duell getötet wird und Goethe auch jetzt noch auf den erschütternden Brief desverzweifelten Vaters nicht reagiert, steigert sich die Bitternis Willemers zu Vorwürfen, die sich in seinen Brief vom 30. Oktober 1818 ergießen: «Teuerster Freund, welch ein feindlicher Genius (ob ein Dämon der Gleichgültigkeit oder der Abneigung) ist Ursach, daß von Ihnen keinfreundliches Wort mehr zu uns gelangt! ja daß auch August mir auf meine Bitte, wie es dem Vater gehe, keine Antwort gab? Und doch bedarf dasHaus, das Sie kannten, und liebten, eines freundlichen Zuspruchs. Marianne kränkelt, mußte schon vor acht Wochen in die Stadt ziehen - hatkeine Stimme - ich litt drei Wochen an schrecklichen Gichtschmerzen und leide noch - der Sohn liegt im Grab... so verspielt der Mensch seinDasein an ein trübes Geschick... aber eben darum, daß so viele Fäden reißen, sucht man die alten zu erhalten, und will sich nicht gestehen,daß sie vielleicht schon durchschnitten sind.» Erst jetzt, nach über einjährigem Schweigen, antwortet Goethe und sendet einige Gedichte seines noch im Entstehen begriffenen «West-östlichen Divan» mit - über den Tod Bramys freilich verliert er kein Wort, dieihm unbehagliche Hemmungslosigkeit des väterlichen Schmerzes wußte ernur mit Schweigen zu erwidern. Mariannes Antwort vom Dezember 1818 ist ganz geprägt von verhaltener Neigung, die verzichtender Resignation gleichkommt. Liest man ihre wehmütigen Zeilen, so fällt es schwer zu glauben, daß sie von einer erst vierunddreißigjährigen, nach heutigen Begriffen jungen Frau niedergeschrieben wurden: Ihr freundlicher Brief und die ihn begleitenden Blätterhaben mich wieder ganz in jene Zeit versetzt, in der ich so glücklich, ja ich darf wohl sagen, jugendlich-heiter war. Wenn ich mir jetzt meinen Zustand vergegenwärtige, so möchte ich wohl nicht mit Unrecht mich einem Baum vergleichen, dem ein schöner Herbst neue Blüten entlockt;die alles belebende Sonne schmückte mich noch einmal mit dem Kranze der Jugend; es war mein letztes Glück! - Der Ernst tritt in mein Lebenwie ein kalter Winter, und die Blüte fällt. Im Juli 1819 sendet Goetheseiner zurückhaltenden und unaufdringlichen Freundin seine wärmsten Zeilen - die einzigen, in denen er sie duzt: «Nun da du sagst, und so lieblich, daß du mein gedenkst und gern gedenken magst: so höre doppeltund dreifach die Versicherung, daß ich jedes deiner Gefühle herzlichund unablässig erwidere. Möge dich dies zu guter Stunde treffen, und dich zu einem recht langen Kommentar über diesen kurzen Text veranlassen.» Als er ihr bald darauf den «West-östlichen Divan» sendet, ist Mariannezutiefst gerührt, auch ihre eigenen Lieder in Goethes Sammlung aufgenommen zu finden, doch beide, Goethe und Marianne, spielen lediglich auf dieses von ihnen geteilte Geheimnis an, ohne es durch Zerreden zu entweihen - den langen Kommentar zum kurzen Text lieferte erst die Goethe-Philologie nach. Besonderes Vergnügen scheint es Goethe bereitet zu haben, daß Johann Peter Eckermann, der sich ihm 1823 durch seine «Beiträge zur Poesie mitbesonderer Hinweisung auf Goethe» empfohlen hat, insbesondere GoethesGedicht an den Westwind rühmt, das in Wahrheit von Marianne stammte,und schmunzelnd schreibt er ihr im Mai 1824: «Als ich des guten Eckermanns Büchlein aufschlug, fiel mir S. 279 zuerst in die Augen; wie ofthab ich nicht das Lied singen hören, wie oft dessen Lob vernommen undin der Stille mir lächlend angeeignet, was denn auch wohl im schönstenSinne mein eigen genannt werden durfte.» Vermutlich hat Marianne diese berühmten Verse an den Westwind kurz nach dem Abschied von Goethe inHeidelberg im September 1815 verfaßt, und als Zeugnis ihres dichterischen Vermögens seien sie hier in ihrer originalen Fassung, ohne die Änderungen Goethes, wiedergegeben: Ach, um deine feuchten Schwingen, West, wie sehr ich dich beneide: Denn du kannst ihm Kunde bringen, Was ich durch die Trennung leide. Die Bewegung deiner Flügel Weckt im Busen stilles Sehnen; Blumen, Augen, Wald und Hügel Stehn bei deinem Hauch in Tränen. Doch dein mildes sanftes Wehen Kühlt die wunden Augenlider; Ach, für Leid müßt' ich vergehen, Hofft ich nicht, wir sehn uns wieder. Geh denn hin zu meinem Lieben, Spreche sanft zu seinem Herzen; Doch vermeid' ihn zu betrüben Und verschweig' ihm meine Schmerzen. Sag ihm nur, doch sag's bescheiden: Seine Liebe sei mein Leben, Freudiges Gefühl von beiden Wird mir seine Nähe geben. Angeregt und ermuntert durch die Anerkennung ihrer dichterischen Fähigkeiten sendet Marianne Goethe zum Geburtstag 1824 das Gedicht «Das Heidelberger Schloß», dessen letzte Strophe lautet: Schließt euch um mich, ihr unsichtbaren Schranken, Im Zauberkreis, der magisch mich umgibt, Versenkt euch willig, Sinne und Gedanken, Hier war ich glücklich, liebend und geliebt. Wie mag Marianne Goethes Antwortbrief auf dies Bekenntnis aufgenommenhaben, der mit den Worten beginnt: «Also abermals Artischocken! sorgfältig wie die vorigen gepackt und nun gar mit Zuckerwerk begleitet, beiTisch und Nachtisch zur Freude und Bewunderung großer und kleiner Familienglieder und werter Gäste.» Sie wird nicht geahnt haben, daß Goethe zu dieser Zeit befangen war inseiner nächsten und letzten Liebe zu der jungen Ulrike von Levetzow und daß auch er verzweifelt versuchte, sich mit der Resignation des Alters abzufinden. Wie ein unbewußtes Echo auf Goethes Verse der «Marienbader Elegie » Wenn Liebe je den Liebenden begeistet, Ward es an mir aufs lieblichste geleistet, klingt Mariannes dichterische Entsagung: Hier war ich glücklich, liebend und geliebt. Mit seiner Suleika, die ihm längst nicht mehr Geliebte, wohl aber Vertraute war, blieb Goethe bis kurz vor seinem Tod in brieflichem Kontakt. Im Ton erinnern diese vertrauten Briefe an die Korrespondenz Goethesmit Christiane, etwa wenn er die Frankfurter Freundin um Leckereien für seine Enkel bittet. So schreibt am 13. Januar 1832 der zweiundachtzigjährige Großvater dem «Großmütterchen», wie Marianne sich selbst gern und im Alter ausschließlich bezeichnete (zur Großmutter hatte sie, die selbst kinderlos blieb, schon die Hochzeit mit Willemer gemacht, denn Rosette, die , war damals bereits Mutter): «Wollen Sie mir indes freundliche Gesichter von meinen Enkeln erwecken, so er bitte mir, etwa im Februar, etwas Offenbacher Pfeffernüsse; bis dahin werden die magenverderblichen Weihnachtsgaben wohl schon aufgespeist sein. Die Menschheit, merke ich, mag noch so sehr zu ihrem höchsten Zielevorschreiten, die Zuckerbäcker rucken immer nach, indem sich Geist und Herz immerfort reinigt, wird, wie ich fürchte, der Magen immer weiter seiner Verderbnis entgegengeführt.» Mariannes eigene Briefe, die das «Großmütterchen» gemeinsam mit Goethes Briefen in ihrem gläsernen Kasten als wertvollen Schatz hütete, hatte Goethe ihr kurz vor seinem Tod zurückgesandt und sie gebeten, diese«bis zu unbestimmter Stunde», bis zu seinem Tode also, ungeöffnet zu lassen. Wie Marianne von Willemer dem jungen Herman Grimm anvertraute, hat siediesen Wunsch erfüllt - als sie in der Stunde, in der ihr Goethes Todgemeldet wurde, das Päckchen erbrach, fand sie obenauf Goethes Verse: Vor die Augen meiner Lieben, Zu den Fingern, die's geschrieben - Einst in heißestem Verlangen So erwartet, wie empfangen - Zu der Brust, der sie entquollen, Diese Blätter wandern sollen; Immer liebevoll bereit Zeugen allerschönster Zeit. Nach Goethes Tod hat Marianne von Willemer noch achtundzwanzig Jahre gelebt. Aufopferungsvoll pflegte sie ihren schwierigen, oft hypochondrischen, stets klagenden Ehemann Johann Jakob von Willemer bis zu dessenTod 1838, und in den verbleibenden Jahren war sie häufiger und gern gesehener Gast in der Familie Schlosser auf Stift Neuburg ganz in der Nähe ihres geliebten und für sie so erinnerungsträchtigen HeidelbergerSchlosses. Den Kontakt zu Goethes Familie pflegte sie weiter, empfing Goethes Schwiegertochter Ottilie und Goethes Enkel auf der Gerbermühle, musizierte mit Walther von Goethe und suchte diesem schwierigen jungen Mann (vergeblich) das Ethos seines Großvaters weiterzugehen und ihm eine solide musikalische Ausbildung ans Herz zu legen. Die Musik hatte für sie von früher Zeit an eine große Bedeutung, und es ist bezeichnend, daß sie, neben Bettine von Arnim die künstlerischste aller Freundinnen Goethes, ähnlich wie diese 1810 in Teplitz ebenfalls versuchte, Goethe für Beethoven zu erwärmen, daß sie sich sogar wünschte, Beethoven möge die Lieder des «Divan» vertonen. Dieses große Verständnis für den Komponisten war allerdings auch die einzige Eigenschaft, die die zurückhaltende Marianne mit der überspannten Bettine teilte. Gedichte dieser Sammlung, die sich auf Marianne von Willemer beziehen: ? Ists möglich, daß ich, Liebchen, dich kose ? Die Welt durchaus ist lieblich anzuschauen ? Komm, Liebchen, komm! umwinde mir die Mütze! ? Hätt ich irgend wohl Bedenken ? Daß Suleika von Jussuph entzückt war ? Da du nun Suleika heißest ? Mitternachts weint und schluchzt ich ? O wie selig ward mir! ? Dir mit Wohlgeruch zu kosen ? Voll Locken kraus ein Haupt so rund! - ? Wie irrig wähnest du ? Nicht Gelegenheit macht Diebe ? Als ich auf dem Euphrat schiffte ? Die schön geschriebenen ? Laßt euch, o Diplomaten ? Sag, du hast wohl viel gedichtet ? Ist es möglich! Stern der Sterne ? An vollen Büschelzweigen ? Lieb um Liebe, Stund um Stunde ? Dieses Baums Blatt, der von Osten ? Deinem Blick mich zu bequemen ? Locken, haltet mich gefangen ? Ein Spiegel, er ist mir geworden ? Laß deinen süßen Rubinenmund ? Behramgur, sagt man, hat den Reim erfunden ? Ja, die Augen warens, ja, der Mund ? Liebchen, ach! im starren Bande ? Der echte Moslem spricht vom Paradiese Erste Begegnungen mit Goethe Johann Jakob Willemer war Goethe erstmals als siebzehnjähriger Banklehrling begegnet und hatte ihn vier Jahre später gemeinsam mit seiner Ehefrau Melina erneut besucht. Willemer, der mit seinen eigenen schriftstellerischen Werken keine Anerkennung gefunden hatte, sah in Goethe sein Idol und hielt den Kontakt mit ihm durch Briefe aufrecht. Goethe reiste im Sommer 1814 erstmals nach 17 Jahren wieder an den Main. Er hatte zuletzt 1797 seine Mutter besucht, zu ihrem Begräbnis im Jahr 1808 war er nicht in die von Franzosen besetzte Stadt Frankfurt gekommen. Erst nachdem Napoléons Truppen in der Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen worden waren, war wieder an einen Besuch seiner Heimatstadt zu denken. Goethe wollte dort Freunde besuchen und in Wiesbaden eine Kur antreten. Die Einladung an ihn und Christiane ? Goethe reiste am 25. Juli 1814 allerdings ohne seine Frau ab ? ging auf Sulpiz Boisserée zurück: Wollen Sie ernstlich einmal den Rhein besuchen ... Tun Siees sich und mir zuliebe!. Kurz vor seiner Abreise hatte ihm der Verleger Johann Friedrich Cottaeine Sammlung persischer Lyrik zugeschickt, die er in einer deutschenÜbersetzung mit dem Titel ?Der Diwan des Mohammed Schemseddin Hafis? herausgebracht hatte. Diese Zusammenstellung von Ghaselen (diwan persisch ?????? = Sammlung) des Dichters Hafis, der 500 Jahre vor ihm gelebthatte, zogen ihn sofort in ihren Bann. Er erwähnt das Werk in seinemTagebuch erstmals am 7. Juni 1814, vierzehn Tage darauf verfasste er das erste Gedicht des späteren ?Divans? ? ?Erschaffen und Beleben??, und am 25. Juli 1814 dichtete er, als würde er das Kommende vorausahnen: ?So sollst du, muntrer Greis, / Dich nicht betrüben, / Sind gleich dieHaare weiß / Doch wirst du lieben.? Als Willemer erfuhr, dass Goethe sich in Wiesbaden aufhielt, nutzte erdie Gelegenheit, ihn dort am 4. August zu besuchen. Er stellte ihm seine Gefährtin Marianne vor und lud ihn zu einem Besuch auf die Gerbermühle ein. In seinem Tagebucheintrag vom selben Tag erwähnt Goethe dieBegegnung protokollarisch: ?4. August 1814 Wiesbaden. Geh. Rat Willemer. Dlle. Jung. Gebadet. G.Rat Willemer. An Table d´Hote.? Wenige Tage später berichtete er in einem Brief an seine Frau Christiane, dass Willemer ihn mit seiner ?kleinen Gefährtin? besucht habe. Beeindruckter zeigte er sich, nachdem er der Einladung gefolgt war und das Paar am 12. August auf der Gerbermühle besucht hatte; er notierte anschließend: ?Mondschein und Sonnenuntergänge; die auf Willemers Mühle ... unendlich schön?. Die Begegnung fand zu einem Zeitpunkt statt, zu dem die fast 30-jährige Marianne mit Willemer bereits seit zwölf Jahren in ?wilder Ehe? lebte. Goethe selbst kannte eine solche Konstellation aus eigener Erfahrung mit Christiane Vulpius. Es ist nicht belegt, aber sehr wahrscheinlich, dass Goethe seinem Freund Willemer zur juristischen Legitimierung der Beziehung riet, da die Hochzeit kurzfristig ? am 27. September 1814? und ohne Aufgebot stattfand. Anlässlich eines weiteren Besuchs am 12. Oktober notierte Goethe: ?Abend zu Frau Geheimrätin Willemer: denn dieser unser würdiger Freundist nunmehr in forma verheirathet. Sie ist so freundlich und gut wievormals. Er war nicht zu Hause?. Am 20. Oktober reiste Goethe in Richtung Weimar ab. In den nächsten Monaten setzte eine regelmäßige Korrespondenz zwischen ihm und Marianneein. Der Sommer auf der Gerbermühle [Bearbeiten] Jakob Johann Willemer lud Goethe in einem Brief vom 10. April 1815 zueiner erneuten Reise in die Heimat ein: ?Erholen sie sich doch bald von den Beschwerden des Winters zu Weimaran den Ufern des Mains. Sie könnten ja die Vor-Kur zu Oberrad einleiten und bei uns auf der Mühle wohnen. Platz ist genug da, und meine Frauund ich würden nie eine größere Freude empfunden haben wie die, Sie als Gastfreund bei uns zu sehen. Wenn Sie der Sonne müd sind, und der Arbeit, singt sie Ihnen von Ihren Liedern vor.? Willemer spielte hier auf die Krankheit von Goethes Frau Christiane an, die Anfang des Jahres einen Schlaganfall erlitten hatte. Am 24. Mai 1815 reiste Goethe ? erneut allein ? von Weimar in das Rhein-Main-Gebiet, wo er sich bis zum 21. Juli 1815 zumeist in Wiesbaden aufhielt. Beenden wollte er seine Reise mit einem Besuch der Willemersam 12. August auf deren Landsitz. Er blieb länger als vorgesehen: Biszum 17. September weilte er auf der Gerbermühle, von einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Willemers Stadthaus vom 8. bis 15. September abgesehen. Neben den Willemers und Goethe war auch der junge Architekt Sulpiz Boisserée in diesen Tagen auf der Gerbermühle zu Gast. Morgens arbeitete Goethe vor allem am ?West-östlichen Divan?, den er im Vorjahrbegonnen hatte und der 1819 erstmals veröffentlicht werden sollte. Mittags speiste man gemeinsam und flanierte am Nachmittag in der ländlichen Umgebung. Goethe trug am Abend seine am Tag entstanden Verse vor, und Marianne sang nicht nur seine Lieder, sondern trat mit ihm zunehmend in einen lyrischen Dialog. In dieser heiteren Atmosphäre gewann nicht nur Goethes neues Werk schnell an Umfang, die deutsche Literatur verdankt ihr auch einige Liebesgedichte Goethes. Kurz vor Ende seines Besuchs schlug sich die Zuneigung Goethes auch erstmals schriftlich nieder. In seinem ersten Hatem-Lied gestand er: Nicht Gelegenheit macht Diebe, Sie ist selbst der größte Dieb, Denn sie stahl den Rest der Liebe Die mir noch im Herzen blieb. Marianne entgegnete ihm wenige Tage später, indem sie seine Worte aufnahm und paraphrasierte: Hochbeglückt in Deiner Liebe Schelt ich nicht Gelegenheit Ward sie auch an Dir zum Diebe Wie mich solch ein Raub erfreut. Am 18. September reiste Goethe nach Heidelberg weiter. Schon am 23. September überraschte ihn das Ehepaar Willemer dort mit einem Besuch. Marianne hatte dem Freund ein Gedicht mitgebracht, das als Lied vom Ostwind in den ?Divan? aufgenommen werden sollte: Was bedeutet die Bewegung? Bringt der Ost mir frohe Kunde? Seiner Schwingen frische Regung Kühlt des Herzens tiefe Wunde. In diesen Zeilen ist der bevorstehende Abschied von Goethe angedeutet,und Marianne ahnte wohl, dass sie sich so bald nicht wieder sehen würden. In diesen Tagen, in denen man Spaziergänge unternahm ? ?Erst überdie Brücke dann zum Carlsthor. Den Neckar aufwärts.?, wie Goethe notierte ? entstanden weitere ?Divan?-Gedichte, darunter Goethes Ode ?Wiederfinden?, die mit den Versen ?Ist es möglich. Stern der Sterne / Drück ich wieder dich ans Herz? beginnt. Der 27. September 1815 war der letzte Tag, an dem sich die beiden trafen, sie sahen sich danach nie wieder. Noch am Abend des selben Tages verfasste Goethe das Gedicht ?Ginkgo Biloba?, das er, mit Ginkgo-Blättern verziert, Marianne zukommen ließ. Aus dem darauf folgenden Briefwechsel, der bis zu Goethes Tod andauernsollte, nahm Goethe folgende Verse Mariannes in den ?Divan? auf: Süßes Dichten, lautre Wahrheit Fesselt mich in Sympathie! Rein verkörpert Liebesklarheit Im Gewand der Poesie. Er antwortet ihr später, ebenfalls im ?Divan?: Hast mir dies Buch geweckt, du hast`s gegeben; Denn was ich froh, aus vollem Herzen, sprach, Das klang zurück aus deinem holden Leben, Wie Blick dem Blick, so Reim dem Reime nach. Für Goethe war es das einzige Mal in seinem Leben und Werk, dass eineFrau Mitschöpferin seiner Dichtung wurde. Marianne von Willemer war nicht nur das Vorbild der ?Suleika?, Goethe ließ zudem drei ihrer Gedichte in sein Werk einfließen: ? ?Hochbeglückt in deiner Liebe? (Titel im Buch Suleika: ?Suleika?) ? ?Was bedeutet die Bewegung? (?Ostwind?) ? ?Ach, um deine feuchten Schwingen? (Titel im Buch Suleika: ?Westwind?) Am 21. Oktober 1815, mittlerweile nach Weimar zurückgekehrt, berichtete er einem Freund in einem Brief, er könne ?mit Vergnügen melden, daßfür den Divan sich neue, reiche Quellen aufgetan, so daß er auf eine sehr brillante Weise erweitert worden.?. Sowohl Goethe als auch Marianne schwiegen über die wahre Urheberschaft von Mariannes Anteil. Selbstin seinen Lebenserinnerungen ?Dichtung und Wahrheit? enthüllte er dieUmstände, unter denen große Teile des ?Divan? entstanden waren, nicht.Sie wurden erst postum bekannt durch den Germanisten Herman Grimm (den Sohn Wilhelm Grimms), dem sich Marianne kurz vor ihrem Tod anvertraut hatte. Einmal noch, im Juni 1816, kurz nach dem Tod seiner Frau Christiane, brach Goethe zu einer Reise an den Rhein auf, musste die Fahrt aber schon nach zwei Wegstunden wegen eines Radbruchs an seinem Wagen abbrechen. Nach 1832: Jahre des Abschieds [Bearbeiten] Goethe starb am 22. März 1832. Marianne sagte dazu, nachdem ihr die Nachricht überbracht wurde: ?Gott hat mir diese Freundschaft gegeben. Erhat sie mir genommen. Ich muß Gott danken, daß sie mir so lange Zeitzu Teil ward.? Wie viel Goethe ihr, und auch was sie für ihn bedeutethatte, behielt Marianne bis zu ihrem Tod für sich. Sie unternahm gemeinsam mit Willemer noch einige Reisen nach Italien.Ihr Mann erlitt 1836 ? mit 77 Jahren ? einen Schlaganfall. Marianne pflegte ihn in seinen letzten beiden Lebensjahren bis zu seinem Tod 1838. Am 22. Oktober 1838 wurde Johann Jakob Willemer neben seiner erstenFrau an der Kirche in Frankfurt-Oberrad beigesetzt. Marianne von Willemer überlebte ihren Mann um 22 Jahre. Nachdem sie 38 Jahre an Willemers Seite verbracht hatte, fühlte sich Marianne nach seinem Tod einsam. Die Ehe war kinderlos geblieben, und ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes schrieb sie: Ich bin kein selbständiges Wesen, mein armer innig geliebter und heißbeweinter Kranker war aber doch meine einzige Stütze, alles in meinemLeben war auf ihn berechnet; das war mit einem Mal vorbei. Sie bezog eine Wohnung in der Alten Mainzergasse 42 und erteilte Unterricht in Klavier und Gesang. Schweigsam geworden, pflegte sie dennochden Kontakt mit Künstlern und unterstützte sie; so sorgte sie beispielsweise dafür, dass die Kunstsammlung der Brüder Melchior und Sulpiz Boisserées für 240.000 Gulden an den bayerischen König verkauft wurde. Diese bildete den Grundstock der Alten Pinakothek in München. Marianne von Willemer erlag 76-jährig am 6. Dezember 1860 einem Herzschlag und wurde im Grab der Familie Andreae auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt.

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